AUF ZWEI STÜHLEN : Nach dem Bücherklau
„Unsa Detektiv hat zwee Mädels erwischt, die hatten hier ooch die beeden Bücha, komma rüber, Polizei is ooch schon da, müssen wa klären!“ Auf ihrem Namenschild steht „Gabi“. Der Azubi schafft das alleine, ich gehe mit Gabi in den Klamottenladen, in dem nichts teurer als 49 Euro ist. Aus den in die Decke eingelassenen Lautsprechern kommt laute Radiomusik der Gegenwart. Sie öffnet mit einem Schlüssel die Tür, an der „Personal“ steht.
Zwei ihrer Kolleginnen, drei Sicherheitsleute des Einkaufzentrums sowie ein Polizist und eine Polizistin stehen im Halbkreis um zwei Stühle, auf denen zwei vielleicht 15-jährige Mädchen sitzen, die die Kapuzen ihrer Pullover tief ins Gesicht gezogen haben. Ein Protokoll wird formuliert, es wird sehr lange formuliert, weil den Kolleginnen von Gabi immer wieder neue sachdienliche Hinweise einfallen. Irgendwann sagt der Polizist etwas entnervt: „So, das reicht jetzt! Ist ja kein Banküberfall!“
Die Eltern der beiden Diebinnen werden informiert, während der einen bereits Tränen über das Gesicht laufen. „Mein Vater ist Polizist“, sagt sie plötzlich. „Ach, du Scheiße“, rufen die Sicherheitsleute. „Dann mach dich mal auf was gefasst“, sagt die Polizistin. Das Mädchen schluchzt auf. „Zwei T-Shirts, zwei Bücher. Wenn man schon klaut, sollte man großzügiger vorgehen, oder?“, gibt eine Kollegin von Gabi noch zu bedenken. Die Polizistin wirft ihr einen strengen Blick zu.
Dann stellt sich Gabi vor die beiden Mädchen hin und ruft: „Kiekt mich ma’ an!“ Wir gehorchen alle, die Mädchen schauen erstaunt auf. „Dit machta nich noch mal, habta dit vastanden, kapiert?“ Die Mädchen nicken. Ich unterschreibe das Protokoll und bekomme die Bücher zurück. Ich möchte den Mädchen etwas Tröstendes sagen. Aber mir fällt nichts Passendes ein. Denn wer „Zauberhafte Vampirschwestern“ klaut, der will das auch lesen. BJÖRN KUHLIGK