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ASYLEin Platz an der Gosse

Am kommenden Montag diskutiert der Beirat Mitte über zwei neue Flüchtlings-Wohnheime. Der Flüchtlingsrat hält die Auswahl der Standorte für problematisch.

Asyl nur neben Wixbuden: Der Philosophenweg hat eine eigentümliche Infrastruktur. Bild: Benjamin Eichler

BREMEN taz | Ein Sexshop reiht sich an den nächsten, daneben ein leer stehendes Restaurant und der Hintereingang einer Spielhalle. Der Philosophenweg in der Bahnhofsvorstadt wirkt nicht einladend. Geht es nach der Sozialbehörde, sollen hier in einem leer stehenden Hotel bald 50 Flüchtlinge untergebracht werden.

Vom Einzel- bis zum Acht-Bett-Zimmer, jedes ist mit Bad,WC und einer Pantry-Küche ausgestattet. Laut Behörde eignet sich deshalb das Gebäude für die Nutzung als Wohnheim und könnte für fünf Jahre angemietet werden. Ein weiteres soll, unweit von dort, auf der Rückseite der Disko-Meile entstehen, die immerhin als Gefahrenschwerpunkt eingestuft ist: Im alten Finanzamt, Schillerstraße 3, soll nach dem Umbau die zentrale Stelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Platz finden. Am Montag wird der Ortsbeirat sich mit dem Thema befassen. Und es gibt Kritik an der Standortwahl. Britta Ratsch-Menke vom Flüchtlingsrat hält sie für unglücklich.

Tatsächlichen werden bis zu 500 zusätzliche Plätze in Bremen dringend gebraucht: Die Zahl basiert auf bundesweiten Schätzungen, nach denen bis zu 100.000 Flüchtlinge in diesem Jahr in Deutschland Asyl beantragen dürften. Ein knappes Prozent würden laut Verteilungsschlüssel dem Land Bremen zugewiesen, von denen 20 Prozent in Bremerhaven leben sollen. Waren die Zahlen der AsylbewerberInnen zu Beginn der 2000er- Jahre, auch aufgrund der europäischen Flüchtlingsabwehrpolitik, innerhalb weniger Jahre um fast 75 Prozent gesunken, steigen sie nun wieder an: Eine Folge der politischen Bewegungen und Kriege im Mittelmeerraum.

Die derzeit 867 Plätze in den Unterkünften reichen dafür nicht. Besonders deutlich wird dies in der Zentralen Aufnahmestelle (Zast). Ursprünglich für 100 Bewohner ausgelegt, leben dort derzeit 200. Um die Lage zu verbessern, eröffnete man Anfang des Jahres als Notlösung eine Außenstelle in Schwachhausen: In der Thomas-Mann-Straße wohnen Asylbewerber seit Anfang des Jahres in einer alten Schule. Ursprünglich bis Mai gedacht, wurde die Nutzung kürzlich bis Frühjahr 2014 bewilligt.

Auch Ratsch-Menke hält die Bedarfsschätzung für „realitätsnah“. Doch „besonders die Unterbringung von Minderjährigen in der Nähe zum Drogen, Disko und Türsteher-Milieu finde ich sehr fragwürdig“, sagt sie. So hatte es in der Vergangenheit Versuche von Drogenhändlern gegeben, Kleindealer-Nachwuchs direkt aus Asylbewerberheimen zu akquirieren. Und auch die Wahl des leer stehenden Hotels im Philosophenweg missfällt ihr. „Für Menschen, die sowieso schon einen Kulturschock hier bekommen, ist es nicht hilfreich, wenn sich Sexshops und Spielhallen in ihrer direkten Nachbarschaft befinden.“

„Die Auswahl der Immobilien war nicht so groß, deshalb haben wir uns dafür entschieden“, sagt der Sprecher der Sozialbehörde, Bernd Schneider. Zufrieden sei man vor allem mit der Ausstattung des leer stehenden Hotels. „Es könnte sofort langfristig genutzt werden.“

Eben darin aber sieht Ratsch-Menke das größte Problem. Denn anzustreben wäre ja eine möglichst kurzfristige Unterbringung in den Wohnheimen: „Die bereitgestellte Unterstützung zur Wohnungssuche der Flüchtlinge reicht nicht aus“, erklärt Ratsch-Menke, warum viele Flüchtlinge nicht aus den Wohnheimen ausziehen können. „Die Behörden sollten lieber versuchen, die BewohnerInnen aus den Wohnheimen heraus in eigenen Wohnungen unterzubringen, statt immer mehr Heime zu bauen.“ Für sie ist die Situation durch die Überfüllung der Wohnheime für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen nicht mehr tragbar.

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1 Kommentar

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  • A
    anke

    Seltsam, mit welcher Leichtigkeit die gute Britta Ratsch-Menke vom Flüchtlingsrat all die unbegleitete Minderjährige und vollständig erwachsene Flüchtlinge gleichermaßen unter ihre mütterlichen Fittiche nimmt! Die Frau muss ja Arme wie Reed Richards haben!

     

    Wenn Drogenhändler versuchen, ihren Nachwuchs direkt aus einem (Kinder-)Heimen heraus zu akquirieren, ist das meiner Meinung nach etwas völlig anderes, als wenn die Damen des Horizontalgewerbes neben einem Heim für Erwachsene einer völlig legalen Arbeit nachgehen. Im ersten Fall sollte der Gesetzgeber einschreiten, wenn auch nicht unbedingt in Gestalt von Frau Ratsch-Menke. Im zweiten kann man es der Lebenserfahrung der Betroffenen überlassen bleiben, ob sie dem "Kulturschock" erliegen wollen oder nicht. Zumal man mir erst noch erklären muss, wie Frau Ratsch-Menke auf die Idee verfallen konnte, Männer aus Bamako, Saigon oder Kabul wüssten nicht was ein Puff ist.

     

    Ich kann durchaus verstehen, dass die Dame mit dem Doppelnamen Moral beweisen will. Dass das aber bis zum Paternalismus gehen muss, finde ich nicht. Diese Menschen sind politisch verfolgt oder ökonomisch am Ende. Sie sind NICHT geisteskrank. Einen Vormund haben sie also eigentlich nicht nötig. Höchstens ein Dach überm Kopf, was zu essen im Bauch und ein paar andere Menschenrechte. Vorzugsweise natürlich das, für sich selber zu sorgen.