ARGENTINIEN WILL IRANISCHEN EX-PRÄSIDENTEN VOR GERICHT STELLEN : Anklage schöpft aus trüben Quellen
Die Anklagen, die der argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman gegen den ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani und sieben weitere, teils hochrangige, ehemalige iranische Regierungsmitglieder formuliert, sind ein Problem. Denn so plausibel es einerseits scheint, dass die damalige iranische Regierung über die Hisbollah tatsächlich den Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires 1994 durchführen ließ, so dünn ist doch für diese These noch immer die Beweislage.
Darf sich eine Anklage gegen ausländische Politiker ausschließlich auf von Geheimdiensten zusammengetragenes Material beziehen? Es ist zumindest befremdlich, dass Argentiniens Justiz zwar bis heute nicht in der Lage war, die konkreten Umstände des Tathergangs zu rekonstruieren, Argentiniens Geheimdienst SIDE aber plötzlich über Gesprächsprotokolle von Regierungssitzungen im Iran von 1993 verfügen will. Das Material kann nur von CIA oder Mossad stammen – es dürfte kaum gerichtsverwertbar sein und hat angesichts der laufenden Auseinandersetzungen mit dem Iran einen politischen Beigeschmack.
Sosehr die jüdischen Organisationen Argentiniens die neue Anklage begrüßen, so sehr ist doch dem nun mit der Angelegenheit befassten Richter Rodolfo Canicoba Corral ein kühler Kopf zu wünschen. Denn statt die Verbrechen endlich aufzuklären, könnten etwaige Haftbefehle, wenn zu wenig substantiiert, genauso auch zur weiteren Verschleierung der Tat beitragen. Dass Rafsandschani und die anderen Beschuldigten jemals in Argentinien vor Gericht erscheinen werden, glaubt ohnehin niemand. Das allein aber würde keine Zurückhaltung rechtfertigen, wenn die Beweiskette ansonsten eindeutig erschiene – auch in Verfahren gegen ehemalige argentinische Militärs erschienen die Klagen im Ausland wenig realistisch, entsprachen aber dem bestmöglichen Streben nach Gerechtigkeit. Darum muss es auch jetzt gehen. Der Beigeschmack, die Klagen könnten eher politisch als juristisch motiviert sein, ist da wenig hilfreich. BERND PICKERT