ARD-interner Streit um Internet-Strategie: Darf's ein bisschen mehr Text sein?
Die Redaktionskonferenz Online der ARD schießt scharf: Es geht um die geplante Einigung mit den Verlegern beim Streit darum, welche Netzinhalte die ARD anbieten darf.
Der interne Streit in der ARD um Zugeständnisse an die Zeitungsverleger im Internet ist alles andere als beigelegt. Die ARD-weite "Redaktionskonferenz Online" (RKO) fordert den stellvertretenden ARD-Vorsitzenden und SWR-Intendanten Peter Boudgoust weiterhin auf, der gemeinsamen Erklärung von ARD und ZDF mit dem Bundesverband deutscher Zeitungsverleger "nicht zuzustimmen".
Boudgoust ist nach der ARD-internen Geschäftsverteilung "Online-Intendant" und als solcher für die Netzpolitik zuständig, hatte bislang aber nicht direkt an den Verhandlungen von ARD, ZDF und Verlegern teilgenommen.
Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen bis Karneval ein gemeinsames Papier mit den Verlegern unterzeichnen, dass die jeweiligen Online-Schwerpunkte festschreibt. Danach sollen sich ARD und ZDF vor allem auf Video- und Audioangebote konzentrieren und die Zeitungsverlage auf Text setzen. Damit versuchen beide Seiten, die klassisch-analoge Trennung zwischen elektronischen und Printmedien ins Internet herüberzuretten.
"Der Entwurf der Erklärung geht hinter (…) den Rundfunkstaatsvertrag zurück" und stehe "im Widerspruch" zu früheren Kommentaren der ARD-IntendantInnen, heißt es in der von Boudgoust erbetenen Stellungnahme der RKO. "Die aktuelle journalistische Arbeit" für die Online-Angebote der ARD "kann nicht auf eine eigenständige redaktionelle Berichterstattung in Textform verzichten oder diese zur Ausnahme machen."
"Multimedial im besten Sinne"
Zwar sei "der verstärke Einsatz von Video- und Audioelementen unser erklärtes Ziel". Um aber eine "an den Erwartungen und Bedürfnissen der Nutzer orientierte aktuelle Berichterstattung zu gewährleisten", müssten alle ARD-Online-Angebote "auch auf Texte und Fotos zurückgreifen und zwar so, wie sich die Standards hierfür im Netz – nicht in den Printmedien – herausgebildet haben".
Diese Standards hätten zudem "nicht die Zeitungsverleger gesetzt". Käme die ARD den Verlegerforderungen nach, "würde nicht nur die publizistische Relevanz" der ARD-Online-Angebote "geschwächt, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Sender insgesamt. Denn es ist uns doch sehr bewusst, dass sich immer größere Teile des Publikums vorrangig mit Hilfe von aktuellen, medienspezifisch gestalteten Online-Angeboten informieren".
Diese Angebote der ARD seinen aber "multimedial im besten Sinne und keinesfalls Textangebote." Die RKO moniert zudem, dass in dem Entwurf zur Sender-Verleger-Erklärung jetzt "eine Reihe von Begriffen und Formulierungen" versammelt sei, die man in der bisherigen Debatte den Verlegern stets als unzulässig um die Ohren gehauen habe.
"Eine Erklärung der öffentlich-rechtlichen Sender und der Zeitungsverleger ist immer auch eine Mitteilung an die Öffentlichkeit", was der vorliegende Entwurf aber unberücksichtigt lasse, heißt es in dem RKO-Papier weiter. Vielmehr werde der Eindruck erweckt, dass hier öffentlich-rechtliche Sender und Zeitungsverlage versuchten, "einen Markt aufzuteilen, den andere längst beherrschen", schreibt die RKO mit Blick auf Google, Facebook & Co. "Gemeinsame, für die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik wichtige Themen vermisst man. Es wird leider nichts gesagt über die Rolle der Qualitätsmedien in Bezug auf die digitale Revolution und die vier globalen Konzerne, über Netzneutralität, Urheberrecht und Datenschutz".
Und dann ist da noch der süffisante Rüffel der Redaktions-Konferenz Online in Richtung Informationspolitik und interner Kommunikation in der großen weiten ARD: "Es ist der RKO bewusst, dass es ein sehr schwieriges Unterfangen ist". Trotzdem sei es aber auch für die RKO nicht eben schön, "den aktuellen Sachstand zu dem sie betreffenden Thema teilweise aus den Onlineangeboten der Presse ziehen zu müssen."
Auch das wird wieder Ärger mit den Verlegern geben: Wenigstens die reiche öffentlich-rechtliche ARD sollte doch in der Lage sein, ihren Online-SpezialistInnen ein paar Printabos zu gönnen.
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