ARD-Polizeiruf 110: Tauber ohne Worte

Der "Polizeiruf 110: Jenseits" (So., 20.15 Uhr, ARD) ist eine anrührende Studie über Distanz, Nähe - und Trauer.

Den Kommissaren Tauber (Edgar Selge) und Obermeier (Michaela May) machen die Tücken der Todesnachricht-Überbringung diesmal besonders zu schaffen Bild: dpa

Das sieht in Fernsehkrimis normalerweise ganz einfach aus: Ein ernster Blick zum Kollegen, einmal tief einatmen und dann rein zu den Hinterbliebenen. "Wir haben Ihnen eine traurige Mitteilung zu machen, Ihr Kind wurde ermordet." Dann wieder ausatmen, noch ein Blick zum Kollegen und später im Büro schnell ran an die Kaffeemaschine.

Welche Tücken die professionelle Übermittlung von Todesnachrichten mit sich bringen kann, zeigt nun diese feinnervige Episode des Münchner "Polizeirufs": Ein Junge wurde am Stadtrand von einem Auto überfahren, die tödlichen Verletzungen hat man ihm aber schon vorher beigebracht. Ein roter Turnschuh wurde ins Gras am Straßenrand geschleudert, deshalb glaubt Kriminalhauptkommissarin Obermaier (Michaela May) schon, es handle sich um den des eigenen Sohnes. - Der Blick auf die Leiche, so paradox kann Polizeiarbeit sein, bringt also erst mal Erleichterung.

Nina Hausner (Ulrike Krumbiegel), eine Frau aus der Nachbarschaft, beunruhigt der rote Schuh ebenfalls. Doch das Opfer ist schon in der Gerichtsmedizin, sodass sie in banger Ungewissheit zurückbleibt. Obermaier und Kollege Tauber (Edgar Selge), denen sie ein Bild ihres Jungen zeigt, halten sich angesichts der völlig entstellten Leiche sicherheitshalber erst mal bedeckt.

Regisseur Eoin Moore ("Pigs Will Fly") arbeitete das Krimi-Trauerspiel, in dem das Mörderrätsel konsequenterweise bald in den Hintergrund gerät, mit einem genauen Gespür für seelische Ausnahmezustände aus: wie träge der Mensch doch manchmal ist, wenn es darum geht, das Ungeheuerliche zu verstehen - und wie schnell er es doch unbewusst realisiert! Da kann Tauber noch so sehr Beileidsbekundungen vor dem Spiegel üben, die wichtigsten Botschaften werden nonverbal übermittelt und führen in aberwitzige Situationen.

Einmal steht der Kommissar hinter der gesicherten Tür in der Gerichtsmedizin. Er winkt Mutter Nina unbeholfen mit dem Spielzeug zu, das er beim toten Jungen gefunden hat - sodass die Ärmste genau in diesem Moment erkennt, das offiziell noch nicht identifizierte Opfer müsse ihr eigenes Kind sein. Die Frau bricht zusammen, während Tauber versucht, die verdammte Glastür aufzubekommen. So wird "Jenseits" (Buch: Markus Thebe) auf anrührende Weise eine Studie über Distanz und Nähe in Momenten der Trauer - in Szene gesetzt mit einem über jeden Eskapismus erhabenen Humor.

Wunderbar etwa, wie der Sohn der Obermaier mit seinen Kumpels nach einer abenteuerlichen Nacht im Baumhaus erwacht - und schreckensstarr seiner Mutter gewahr wird, die sich aus Sorge mit in die enge Hütte geschmuggelt hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.