ANJA MAIER TASCHENGELD : Die Stille nach dem Schnäppchen
Ich habe meine Kfz-Versicherung gewechselt. Seitdem fühle ich mich erwachsen
Genießen Sie die Stille? Freuen Sie sich auch so, nicht mehr allmorgendlich per Radiowerbung darauf hingewiesen zu werden, dass Sie Teil der Schnäppchenschicht sein könnten? Sicher ginge es Ihnen so, hätten Sie sich wochenlang durch eines dieser beworbenen Vergleichsportale für Autoversicherungen gewurstelt, wie ich das getan habe – bis heute.
Ich genieße die Stille nicht nur, weil sie nun ein Jahr anhalten wird – bis zum nächsten Wechsel-Stichtag für Sparfüchse. Ich genieße sie auch, weil ich mich diesmal tatsächlich gekümmert, die Kfz-Versicherung gewechselt und 400 Euro gespart habe. Yeah! Dieser Triumph, dieses kurze Gefühl, geschickt taktierendes Mitglied der Konsumentengemeinschaft zu sein, ist ein Indikator dafür, nun doch mal, mit Mitte vierzig, zu den Erwachsenen zu gehören.
Machen wir uns nichts vor, in dieser Welt ein Auto zu besitzen ist in meiner sozialen Bezugsgruppe ungefähr so verpönt, wie in den Achtzigerjahren Kinder zu kriegen – also kurz vor dem Atomschlag. Ein eigenes Auto zu fahren, noch dazu ein großes und emittierendes, steht in der hippen Welt der Städter unmittelbar vor der Fatwa.
Wir hier draußen auf dem Land aber brauchen unser Auto. Nicht jeden Tag, wir fahren auch gern Rad. Aber hin und wieder müssen wir Strecken bewältigen, die nicht von öffentlichen Verkehrsmitteln im Fünfminutentakt bespielt werden. Über das Benzin, die Autoreparaturen und – oh weh! – die jährliche Kfz-Versicherung im vierstelligen Bereich schweigen wir gegenüber unseren städtischen Freunden schuldbewusst. Die prusten verächtlich, wenn es um Fahrzeugbesitz geht, und zeigen ihre Carsharing-App. (Sie lassen sich aber, wenn sie uns auf dem Dorf besuchen, gern mit dem Auto vom Bahnhof abholen.)
Ich jedenfalls habe mich durch Vergleichsportale geklickt, durch Unterlagen gewühlt und online freizügig indezente Fragen beantwortet. Und als ich irgendwann nicht mehr klarkam, rief ich meine Versicherung an. Die Beraterin füllte mit mir geduldig und sachkundig eine halbe Stunde lang Dutzende Fragenfelder aus – sie hatte die Daten ja alle vorliegen. Am Ende riet sie mir gar zum Vertragsabschluss mit einem Konkurrenzunternehmer. „Wir sind schließlich alles andere als preiswert“, erklärte sie.
Als alles erledigt war, dankte ich der Versicherungsfrau – für ihre Zeit, ihren guten Rat, ihre, ja, Selbstlosigkeit. „Schon gut“, sagte sie, „machen Sie sich keine Sorgen, wegen Ihnen verliere ich nicht gleich meinen Job.“ Hochverehrte Dame, ich verspreche: Beim nächsten Versicherungsabschluss denke ich zuerst an Sie, an Ihr Unternehmen und Ihren Arbeitsplatz. Aber jetzt genieße ich weiter meine Ruhe.
■ Die Autorin ist Parlamentskorrespondentin der taz Foto: Wolfgang Borrs