ANJA MAIER TASCHENGELD : Neulich am Weltwunder
Es ist heiß, wir stehen vor Sri Lankas Fresken – und eine packt die Kaufland-Tüte aus. Entschuldigung?
Dreißig Grad haben wir jetzt. Sri Lankas Sonne brennt, der Schweiß läuft in Strömen. Aber da sind sie endlich, die Wolkenmädchen. Wunderbar! Seit 500 Jahren kann man diese Fresken hier in Sigiriya bewundern: Dutzende barbusige Frauen sind in den Fels geritzt, kostbar geschmückt, manche lächeln anmutig. Ein kleines erotisches Weltwunder mitten im srilankischen Hochland.
Doch was ist das? „Werner!“, ruft Elke ihrem Mann zu, „Werner, jetzt machen wir das Foto.“ Werner kruschtelt im Rucksack. Was sucht er denn bloß? Die Kamera hat er doch schon in der Hand. Da hält er sie auch schon hoch: die mitgebrachte Kaufland-Tüte. „Bitte nicht lachen“, sagt Elke zum Rest der Reisegruppe, „aber man kann da einen VW-Bus gewinnen.“
Niemand lacht. Im Gegenteil, stilles Entsetzen macht sich breit, als Elke sich mit der ausgebreiteten weiß-roten Kaufland-Tüte neben einem Wolkenmädchen postiert, ihr schönstes Discounterkundinnen-Lächeln aufsetzt und Werner den Auslöser drückt.
„Eine Tüte geht um die Welt“ heißt die Aktion, mit der der Kaufland-Konzern dafür sorgt, dass seine Kunden auch im allerfernsten Ausland noch an ihn denken. Seit 1999 können Menschen, denen scheißegal ist, ob sie irgendwelche kulturellen oder religiösen Gastgebote brechen, Urlaubsfotos mit der Tüte einsenden. Auf kaufland.de werden sie dann eingestellt.
Jede Woche, erklärt mir, zurück in Deutschland, Frau Kübler von der Kaufland-Presseabteilung, würden zehn Bilder ausgewählt, „von denen dann unsere Kunden online das schönste Bild wählen. Der Gewinner des Wochen-Votings erhält eine Geschenkkarte im Wert von 100 Euro, die Gewinner der Gesamtaktion werden per Zufallsprinzip ausgelost.“ Die „Gesamtaktion“ – das wäre dann Elkes VW-Bus.
Man kann auf der Kaufland-Seite rumklicken und findet hunderte Elkes. Frauen, die die rot-weiße Tüte zu den Opfergaben eines buddhistischen Altars gelegt haben und sich davor verneigen. Männer, die stolz neben Afrikanern stehen, die lächelnd die Tüte ins Bild halten. Es sind ungute Gedanken, die man beim Betrachten dieser Bilder hat. Und tatsächlich, auch meine Reisebegleiterin Elke sehe ich – sie ist aber am Kunden-Voting gescheitert. Also kein VW-Bus.
Frau Kübler übrigens, gefragt, ob sie schon mal das Gefühl gehabt habe, ihre Kaufland-Kunden seien bei der Bildbeschaffung zu weit gegangen, antwortet nur kurz: „Nein, das hatten wir bisher nicht.“
■ Die Autorin ist taz-Parlamentskorrespondentin Foto: W. Borrs