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Archiv-Artikel

AMBROS WAIBEL ÜBER BLICKE ZEITVERSCHWENDUNG HAT KEINEN GUTEN RUF IN DEUTSCHLAND. DABEI GIBT ES WENIG KREATIVERES ALS NICHTSTUN Something about soldiers

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

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Arbeit, Arbeit, Arbeit – in den letzten Tagen konnte die Öffentlichkeit gar nicht genug bekommen von diesem doch eher unerfreulichen Thema. Studien rückten die Belastung der deutschen Arbeitnehmerväter in den Fokus, und die Sozialtouristen können es den Einheimischen auch nicht recht machen: Wenn sie rackern, nehmen sie uns unsere Arbeitsplätze weg, wenn sie sich in der sozialen Hängematte rekeln, sollen sie gefälligst (an)schaffen gehen.

Der vor Jahren versprochene hübsche und freundliche polnische Klempner hat sich hingegen nie blicken lassen, immer noch müssen wir, wenn das Klo rinnt, mit dem sprachlich unelaborierten einheimischen Personal vorliebnehmen: Der Dichter Dr. Peter Hacks seufzte einst, der Doktortitel sei jedenfalls immer dann von Vorteil, wenn die Handwerker ins Haus trampelten.

Und jetzt auch noch die Bundeswehr: 48,2 Stunden Dienst, meldet – natürlich– eine Studie, müssten die Soldaten schieben, im Schnitt leisteten sie 4,3 Überstunden pro Woche. Ich kann nur hoffen, das das geschwindelt ist, etwa so wie Bauern chronisch schwindeln, wenn es drei Tage nicht geregnet hat und sie nach Subventionen für ihre Ernteausfälle schreien.

Wie gerade der Leerlauf das Leben besser machen kann, habe ich schon mal anhand des Bundeswehrkrankenhauses in Berlin beschrieben. Im Gegensatz zu den privatisierten Gesundheitsfabriken fand man hier immer einen Pfleger, der tatsächlich Zeit hatte, auf spontane Bedürfnisse seiner Patienten zu reagieren– und die soll es ja insbesondere bei Kindern durchaus geben.

Die besten Beschreibungen soldatischen Nichtstuns, die ich kenne, stammen von Charles Willeford. In seinem Buch „Something about a soldier“ (machen Sie sich nicht die Mühe, das Buch gibt es nicht auf Deutsch), stehen Sätze wie: „As little as I did, there were other men at Clark Field who did less. Much less.“ Willeford war in der Großen Depression als Halbwüchsiger zunächst auf der Straße gelandet, log dann bei seinem Alter und trat als 16-Jähriger für drei Jahre in die US-Armee ein, Dienstort Philippinen. Als sich der naive Jüngling zu Beginn über das Zeitverbrennen im Dienst beschwerte, bekam er die Standardantwort: „Who gives a shit?“ Schließlich fand Willeford aber zu seiner Bestimmung. Welcher Ort konnte geeigneter sein, ein Dichter zu werden – der er natürlich werden wollte –, als ein Armeecamp in den Tropen mit maximal vier Stunden Arbeitszeit und einer gut ausgestatteten Bibliothek?

Der große Bundeswehrroman ist noch nicht geschrieben worden, aber vielleicht sind die Auslandseinsätze ja wenigstens dafür gut. Der Taliban, liest man in den neuesten Meldungen, hat sich vom deutschen Soldatentum jedenfalls wenig beeindrucken lassen, was ich – um mir keine falschen Freunde einzuhandeln – ausdrücklich bedaure.

Aber Familienfreundlichkeit ist auch ein Wert an sich, vor allem wenn es schon wieder fast vier Uhr geworden ist: Mit seinem Achtstundentag hat der Sohn da schon länger gearbeitet als sein ihn nun ganz schnell abholender Vater.