AM KANAL (1) : Konkurrentinnen
Es war Sonntagnachmittag. Es war heiß, wir ließen die Beine Richtung Wasser baumeln. Die Nachrüstung der Getränke erfolgte durch einen clever angeschlossenen Lieferanten. Es gab auch Eis. Rechts und links neben mir saßen zwei junge Frauen in Röcken, eine in, eine ohne Strumpfhosen. Stella und Artois. Jason saß neben Stella und blinzelte wortlos in die Sonne. Er ging als mein Fotograf durch. Ich schluckte an einer Limonade mit Hawaiigeschmack und überlegte. Ich hatte beobachtet, wie Stella und Artois, also Stella und Loretta, sich die Hand gegeben hatten. Immer wieder ein komischer Moment, wenn sich zwei Konkurrentinnen, die weder vom eigenen Status noch von dem der anderen was ahnen, aufeinander treffen. Die große Frage war, würden sie sich verstehen? Konnte ich von dieser Verbindung profitieren? Oder würde sie sich gegen mich wenden? Und was führte Jason im Schilde?
Ein Torpedo jagte ein Ausflugsschiff, das gemütlich und mit tiefenentspannten Touristen beladen über den Kanal schipperte. An Bord waren nur wenige weiße Plastikstühle frei. Einige der Touristen schauten gleichmütig herüber, winkten nicht, gaben sich unbeeindruckt. Eine Stimme, deren Herkunft nicht ganz klar wurde, knisterte durch eine veraltete Mikrofonanlage. Die Lächerlichkeit einer Schiffsladung Menschen. Im Einzelnen waren natürlich alle toll.
Ich beobachtete die Sonne, ihr Verhalten änderte sich kaum. Jason wechselte ein paar Worte mit Stella, die ich nicht verstehen konnte, Loretta war für den Moment verschwunden. Stella lächelte. Jason steckte die Finger in seine Hosentasche und machte auf unschuldig. Ich dachte, wer ein Gewehr hat, hat keine Probleme, und schaute trübe in den Kanal. Ein Surren wurde hörbar. Der Torpedo schoss durch das brackige Wasser. Die Touristen auf dem Flüsterschiff duckten sich. Sinnloserweise, natürlich. RENÉ HAMANN