AKWs möglicherweise unsicher: Der GAU droht aus der Luft
Umweltschützer kritisieren, dass AKWs nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze gesichert sein. Besonders die alten Anlagen gelten als schlecht gewappnet. Stimmt nicht, sagen Union und FDP.
BERLIN taz | Früher war das Flugzeug sein Traum, heute könnte es zum Albtraum werden: Der ehemalige Pilot Thomas Maxhofer befürchtet, das Atomkraftwerk Isar 1 könnte einem Terrorangriff aus der Luft nicht standhalten. Beim bayerischen Umweltministerium hat er mit Unterstützung der Umweltorganisation Greenpeace beantragt, die Betriebsgenehmigung für die Anlage zu entziehen, die von seinem Wohnort nur 15 Kilometer weit entfernt ist. Wie mit dem Antrag verfahren wird, ist beim Umweltministerium nicht zu erfahren, doch schon jetzt ist ziemlich sicher, dass der Fall vor Gericht landen wird.
Seit dem 11. September 2001 wird über mögliche Luftattacken auf Atomkraftwerke gestritten. Insbesondere die älteren deutschen Anlagen stehen im Verdacht, einen Terrorangriff nicht zu überstehen. Dennoch sollen sie nach dem Willen von Union und FDP länger laufen als im Atomkompromiss vorgesehen.
Und so wundert es nicht, dass der über 30 Jahre alte Reaktor Isar 1 im bayerischen Umweltministerium als unproblematisch gilt. Bei einer Landtagsdebatte im Juni dieses Jahres verwies Minister Markus Söder (CSU) auf eine unter Verschluss gehaltene Studie aus dem Jahr 2003. Darin hat die Gesellschaft für Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) die AKW auf ihre Sicherheit gegenüber Terroranschlägen untersucht. "Nach diesem Gutachten ist es so, dass die bayerischen Kernkraftwerke - auch Isar 1 - für diese Herausforderungen gut gerüstet sind", erklärte Söder.
Die Serie: Die sieben ältesten Atomkraftwerke müssten laut Atomkonsens in der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden. Union und FDP wollen das verhindern. Die taz nennt sieben gute Gründe für den Ausstieg.
Das Argument heute: Warum die AKW terrorgefährdet sind
Die Demo: Für den 5. 9. rufen Anti-Atom-Initiativen zu einer Demo unter dem Motto "Mal richtig abschalten!" nach Berlin. Sie sprechen von der "größten Anti-AKW-Demo, die Berlin je gesehen hat".
Der Service: Mehr über und von Initiativen nicht nur von Atomkraftgegnern finden Sie auf www.bewegung.taz.de (fw)
Eine gewagte Einschätzung, denn in der Zusammenfassung des BMU, die der taz vorliegt, liest sich das anders: Dort landet der bayerische Reaktor zusammen mit den AKW Brunsbüttel und Philippsburg 1 in der "Rangfolge bezüglich Beherrschbarkeit" auf dem letzten Platz. Sie sei bei verschiedenen Schadensszenarien "fraglich", und zwar bei allen untersuchten Flugzeugtypen und -geschwindigkeiten.
Nach Auskunft des Berliner Ministeriums ist es "kein Geheimnis", dass "eine ganze Reihe von Atomkraftwerken nicht hinreichend geschützt" sei gegen manche Angriffsszenarien. Deswegen sollten die Energieversorger ihre alten Reaktoren früher abschalten - die neueren AKW könnten im Gegenzug länger laufen.
Doch die Konzerne denken gar nicht daran. Schließlich bescheren ihnen die abgeschriebenen Kraftwerke enorme Zusatzgewinne - Isar 1 bringt jährlich etwa 250 Millionen Euro, schätzt das Ökoinstitut. Betreiber Eon möchte daher auch eine Diskussion über die Terrorgefahr vermeiden. Fragen will die Pressesprecherin nicht beantworten. Für Journalisten gibt es eine über fünf Jahre alte Pressemitteilung. Darin heißt es, das Kraftwerk "würde einem Absturz von schnell fliegenden Militärmaschinen standhalten und hat damit im internationalen Vergleich einen hohen Sicherheitsstandard". Trotzdem: "Entscheidend ist es, dafür zu sorgen, dass ein Flugzeug erst gar nicht als terroristische Waffe eingesetzt werden kann."
Auch Thomas Maxhofer kennt das Argument, die Kontrollen an den Flughäfen seien seit dem 11. September verschärft worden. Überzeugen kann es ihn nicht: Es gebe "immer noch genug Möglichkeiten", die Kontrolle über ein Flugzeug zu erlangen, sagt der ehemalige Pilot. Was im Ernstfall droht, hat Greenpeace ausgerechnet: Bei einer Kernschmelze mit offener Reaktorhülle würden die Menschen in fünf Kilometer Entfernung nach einer Stunde eine tödliche Strahlendosis von über 13.000 Millisievert abbekommen - der gesetzliche Höchstwert liegt in Deutschland bei 1 Millisievert pro Jahr. "Das war für uns auch neu", sagt Atomexperte Heinz Smithal. Bleibt die Frage, ob es der Umweltorganisation gelingt, die Abschaltung von Isar 1 gerichtlich zu erzwingen.
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