AKW-Studie: Gabriel verwundert über Risiko
Der Umweltminister will die Studie nochmal prüfen lassen. Dabei ist klar: Je näher man am AKW wohnt, um so höher ist das Krebsrisiko
HANNOVER taz Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bemühte sich sogleich um Schadensbegrenzung. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand könne der beobachtete Anstieg von Krebserkrankungen um AKWs nicht durch Strahlenbelastungen aus den Atommeilern erklärt werden, ließ der Politiker gestern erklären.
Um den beobachteten Anstieg des Krebsrisikos erklären zu können, müsse die Strahlenbelastung der Bevölkerung an den AKWs um mindestens den Faktor 1.000 höher sein, behauptete Gabriel. Der Minister hat jetzt erst einmal der Strahlenschutzkommission den Auftrag gegeben, die Studie zu überprüfen, und will erst später über mögliche Konsequenzen entscheiden.
Für den an der Universität München tätigen Strahlenbiologen Edmund Lengfelder ist eines ganz klar: "Die Strahlenbelastung der Menschen in der Umgebung kann man nicht messen, man kann sie nur errechnen", meinte Lengfelder. Gemessen werde mit Hilfe von Dosimetern vor allem die Gammastrahlung in der Umgebung der AKWs. Diese Strahlung sei aber gerade nicht Ursache der Krebserkrankungen bei Kindern. Diese gingen auf winzige Partikel von Alpha- oder Betastrahlern zurück, die über die Atemluft oder die Nahrung in den Körper aufgenommen würden. Diese Partikel, die erst im Körper ihre gefährliche Wirkung entfalten, könne man nicht über ihre Strahlung, sondern nur durch aufwendige Analysen nachweisen.
Wie viel an Alpha- oder Betastrahlern tatsächlich von Anwohnern eingeatmet oder aufgenommen werde, könne man nur mit komplizierten Rechnungen abschätzen. "Der einzig verlässliche Parameter für die Strahlenbelastung ist daher der Abstand des ständigen Aufenthalts vom AKW", sagte Lengfelder. Die zwölf Experten, die das Design der Studie entworfen haben und sie begleiteten, hätten sich deswegen auch auf den Abstand von den AKWs als Indikator für die Strahlenbelastung geeinigt.
Lengfelder kritisierte die Hauptverfasserin der Studie, die Mainzer Professorin Maria Blettner, die radioaktive Belastung nicht als Ursache der Krebshäufung ansehen will. "Frau Blettners Haltung ist einfach unseriös und unehrlich", meinte Lengfelder.
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