ABU GHRAIB SOLLTE ZU EINER IRAKISCHEN GEDENKSTÄTTE WERDEN : Abriss macht nichts ungeschehen
Das Abu-Ghraib-Gefängnis in Bagdad darf nicht abgerissen werden. Es ist peinlich, dass es zu dieser Entscheidung erst eines US-amerikanischen Militärrichters bedurfte. Am 24. Mai hatte Präsident George W. Bush in einer Rede, die als Befreiungsschlag aus der Folteraffäre gedacht war, den baldigen Abriss des Gebäudes angekündigt, „als Symbol eines Neuanfangs“. Das Protokoll vermerkt Applaus. Zwar hatte Bush, das sei nicht unterschlagen, noch „mit dem Einverständnis der irakischen Regierung“ eingefügt. Und doch zeigte der US-Präsident erneut, welch völliger Mangel an politischer Sensibilität seine Regierung kennzeichnet.
Abu Ghraib muss geschlossen werden – schlimm genug, dass die US-Besatzungstruppen das Gefängnis überhaupt weiterhin nutzten. Denn das allein erinnerte schon fatal an die sowjetische Weiternutzung etwa des KZ Sachsenhausen als „Speziallager“, in dem bis 1950 weiter Menschen gequält wurden, bis es endlich ganz geschlossen wurde. Daniel Cohn-Bendit hat vor kurzem angemerkt: Ein Land zu überfallen, um einen Diktator zu stürzen und dann in dessen ehemaligen Folterstätten selbst als Folterer überführt zu werden – es kann gar nicht schlimmer kommen. Doch. Es geht noch schlimmer. Man kann bei laufenden Untersuchungen vorschlagen, das Gebäude einfach abzureißen.
Jetzt muss Abu Ghraib, so will es Militärrichter James Pohl, als Tatort stehen bleiben – als US-amerikanischer Tatort, wohlgemerkt. Dabei gibt es noch mehr Gründe, den Gebäudekomplex zu erhalten. Welcher Ort würde sich wohl besser als Gedenkstätte gegen Gewaltherrschaft im Irak eignen als dieser? Wenn es je eine freie, den Menschenrechten verpflichtete Regierung im Irak geben sollte, an der Spitze einer Gesellschaft, die ihre Konflikte auf zivile Weise austrägt, wo besser könnte der Verwerfungen der jüngeren Geschichte Iraks gedacht werden als in Abu Ghraib? Dass die USA ebendort selbst Teil dieser grausamen Geschichte geworden sind, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Ungeschehen machen können sie das nicht. Mit aufarbeiten schon. BERND PICKERT