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■ ABM-Gelder werden von Ost nach West übertragenVerrückter zweiter Arbeitsmarkt

Das verstehe wer will: zwar haben wir in den neuen Bundesländern eine Massenarbeitslosigkeit, trotzdem aber bleiben Millionen an Fördergeldern ungenutzt liegen. So ungenutzt, daß jetzt sogar 200 Millionen Mark wieder in den Westen übertragen werden. Denn dort sind die Leiter von ABM-Projekten gewiefter, um auch bei den strengeren Vergabebedingungen noch förderungswürdige Projekte aus der Taufe zu heben: Auch der Westen hat immer mehr Bedarf an ABM.

Der ungewöhnliche Transfer verweist jedoch auf ein tieferliegendes Problem. Denn nicht nur die Millionen aus dem ABM-Stabilisierungsprogramm können in den neuen Ländern nicht ausgegeben werden, auch die Fördergelder für die Sonder-ABM nach dem neuen Paragraphen 249h im Arbeitsförderungsgesetz werden längst nicht ausgeschöpft. Nach den neuen Vergabebedingungen zieht sich das Arbeitsamt aus der Förderung zurück. Weg von der Nabelschnur der Bundesanstalt für Arbeit, aber ran an neue Finanzierungspartner, so die Devise für die neue Tendenz am zweiten Arbeitsmarkt.

Der Gedanke dahinter ist durchaus vernünftig: Wenn sich Projekte erstmal auf die Suche nach zusätzlichen Finanzierungsquellen machen müssen, werden sie vielleicht auch geschickter in der Vermarktung ihrer Leistung. Das wiederum könnte beim Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt behilflich sein – dem erträumten Happy-End vieler ABM-Beschäftigter. Soweit der Traum, allein die Wirklichkeit sieht anders aus. Denn trotz der Chance, vom Arbeitsamt subventionierte Projekte für eigene Belange nutzen zu können, zögern die Länder, Kommunen und auch die Treuhand, sich an den ABM zu beteiligen. Es lohnt sich nicht. Zum einen ist bei den Sonder-ABM ein Zuschlag von 30.000 Mark und mehr pro ABM und Jahr nötig, um Lohn- und Sachkosten zu finanzieren. So teuer ist ein Arbeitsplatz. Zum anderen beharren die Gewerkschaften nach wie vor auf ihrer Forderung: Tariflohn für die ABMler. Nur die IG-Chemie hat bislang einer 90-Prozent-Regelung zugestimmt.

Zu teuer dürfen sie eben nicht sein, die ABM, aber auch nicht zu billig. Und einen Ersatz für Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt sollen sie auch nicht darstellen, sonst treten die Unternehmensverbände und Handwerkskammern auf den Plan. Kein Wunder also, daß die Arbeitslosen immer mehr zwischen alle Stühle geraten.

Die Bundesanstalt für Arbeit überläßt das Feld jetzt den Interessenvertretern mit ihrem ständigen, endlosen Gerangel um Förderbedingungen, Finanzierungsmodalitäten und Tarife. Nur eins ist sicher: Es gibt in Deutschland genug knallharte Interessenvertreter, um die Entstehung und Ausweitung eines sinnvollen zweiten Arbeitsmarktes auf Dauer zu verhindern. Barbara Dribbusch

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