■ A U S D E N R A T H Ä U S E R N: Schwarzer Peter im Berliner Senat
Schwarzer Peter im Berliner Senat
Das eine sind die Reden für das Publikum, das andere erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand. Blickt der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen auf das erste Amtsjahr seiner Koalition zurück, ist sein Urteil klar: »Wir haben viel erreicht.« Betrachten die einzelnen Senatoren die Arbeit ihrer Senatskollegen, fallen ihnen vor allem Versäumnisse auf. Beim jeweils anderen, versteht sich.
Besonders scharfe Augen haben Wirtschaftssenator Norbert Meisner und Finanzsenator Elmar Pieroth. Das hat einen einfachen Grund. CDU-Mann Pieroth amtierte früher selbst als Wirtschaftssenator. Das SPD-Mitglied Meisner wiederum war bis vor einem Jahr Finanzsenator. Erst im Januar letzen Jahres übergab er das Amt an Pieroth. Folge: Keiner kann eine falsche Bewegung machen, ohne daß der andere es merkt.
»Das dauert von mal zu mal länger«, stöhnte Pieroth, als er am Dienstag verspätet aus der Senatssitzung kam. Dort hatte ihm Meisner eine längere Debatte über Verfehlungen der Finanzverwaltung aufgezwungen. Thema des Streits: Pieroths Behörde hatte per Rundschreiben die Bezirkstadträte aufgefordert, in landeseigenen Gebäuden ortsübliche Gewerbemieten zu verlangen und die Mieten gegebenenfalls auch zu erhöhen. Das stehe im Widerspruch zu den Senatsbemühungen, die Gewerbemieten möglichst niedrig zu halten.
Im Gegenzug versucht der Finanzsenator nun, dem Wirtschaftssenator eigene Verfehlungen nachzuweisen. Die vom Senat geplante Bundesratsinitiative zur Begrenzung der Gewerbemieten könnte längst auf dem Weg sein, wenn sie nicht bis heute bei Meisner und Justizsenatorin Jutta Limbach schmoren würde, ärgern sich Pieroths Leute.
In Meisners Behörde hat man dafür eine weitere Fehlleistung des Finanzsenators in petto. Die sogenannte Landesentwicklungsgesellschaft, die im Senatsauftrag Grundstücke kaufen, baureif machen und an Investoren verkaufen soll, sei seit dem Sommer versprochen worden, aber bis heute nicht gegründet. Am Dienstag soll die Gesellschaft nun vom Senat beschlossen werden.
Noch besser funktioniert das Schwarze-Peter-Spiel zwischen dem Senat und der Landesregierung von Brandenburg. Umweltsenator Volker Hassemer und sein Potsdamer Amtskollege Matthias Platzeck beherrschen die Spielregeln inzwischen im Schlaf. Während Hassemer sich kürzlich beschwerte, Platzeck blockiere die Veröffentlichung des Müllkonzepts, gab Platzeck am Donnerstag im Potsdamer Landtag den Berlinern die Schuld. Die würden sich bis heute weigern, die Sanierungskosten für die brandenburgischen Müllkippen zu übernehmen, auf denen seit Jahr und Tag die Wohlstandsreste gelandet seien. Nebenbei: Auch das klingt in nichtöffentlicher Runde ganz anders. Da sind sich Hassemer und Platzeck einig, daß die Verantwortung bei einem dritten liegt: dem Potsdamer Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher. Beruhigend, oder etwa nicht?Hans-Martin Tillack
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