A 100: Bahn frei für den Bund
Das Bundesverkehrsministerium macht deutlich: Nicht das Land, sondern der Bund als Geld- und Auftraggeber hat das Sagen. Will Berlin nicht weiterplanen, droht ihm eine Weisung von oben.
Der Streit um die Verlängerung der Autobahn 100 ist möglicherweise rein akademischer Natur. Denn unabhängig von einer Abstimmung des SPD-Landesparteitags nächsten Samstag gilt: Das Sagen hat nicht das Land Berlin, sondern der Bund, der ja auch die Kosten von über 400 Millionen Euro trägt. Laut Bundesverkehrsministerium besteht für das Land "ein uneingeschränkter Planungsauftrag". Kommt das Land dem nicht nach, stehe dem Bund "das Recht zur Weisung zu", äußerte sich das Ministerium auf taz-Anfrage.
Würde Berlin aus dem Projekt aussteigen, wäre das zudem ein absolutes Novum: Dem Ministerium ist kein vergleichbarer Fall bekannt, in dem ein Land ein Bauprojekt des Bundes abgelehnt hätte. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bezeichnet die Aussagen des Ministeriums zur Rechtslage als korrekt. Das sei aber nur eine theoretische Betrachtung: "Ich kenne keinen Fall, wo der Bund ein Land dazu verdonnert hätte, eine Autobahn zu bauen, die es nicht will", sagte Pressesprecher Mathias Gille.
Bislang war Grundlage der A-100-Diskussion, dass es in der Hand des rot-roten Senats liegt, das Projekt zu stoppen. Eine solche Entscheidung wird für den Fall erwartet, dass der SPD-Parteitag nochmals gegen die Verlängerung der Autobahn stimmt. Dass das Projekt nach taz-Informationen im CSU-geführten Verkehrsministerium hohe Priorität genießt, blieb im Hintergrund. Die Befürworter der A100 versprechen Verkehrsentlastung, die Gegner, vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg, fürchten hingegen mehr Verkehr.
Grundlage der Weisungsbefugnis des Bundes beim Autobahnbau ist Artikel 85 des Grundgesetzes. Dort heißt es in Absatz 3: "Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden." Die A-100-Verlängerung, die über 3,2 Kilometer vom Autobahndreieck Neukölln bis zur Elsenbrücke am Treptower Park führen soll, steht im sogenannten Bedarfsplan für Bundesfernstraßen und ist dort als "vordinglicher Bedarf" eingeordnet.
Ein SPD-Landesparteitag hatte bereits im Mai 2009 mit knapper Mehrheit gegen den Weiterbau gestimmt. Die zuständige Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) lehnte es dennoch ab, das laufende Planfeststellungsverfahren zu stoppen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) unterstützte sie in ihrer Haltung. Ein Argument war stets, dass das Projekt im Koalitionsvertrag mit der Linkspartei festgeschrieben sei.
Die Linkspartei aber hat sich inzwischen umorientiert und bei einem Parteitag Ende April mit deutlicher Mehrheit ebenfalls gegen die A 100 votiert. Die nun übereinstimmende Haltung der Parteibasen hat die SPD-Oberen in Erklärungsnot gebracht. Die erneute Abstimmung am kommenden Samstag gilt als letzter Versuch von Wowereit und Landesparteichef Michael Müller, das Projekt zu retten.
Ihre Hoffnungen ruhen auf dem knappen Abstimmungsausgang des vergangenen Jahres. Damals hatten beim Parteitag 118 Delegierte gegen und 101 für die Autobahn gestimmt. Zuvor hatten sich lediglich die Grünen gegen die A 100 gestellt und schienen dabei einen aussichtslosen Kampf gegen die Senatsparteien, gegen CDU, FDP und die Industrie- und Handelskammer zu führen.
Offen ist, wie sehr Wowereit sein eigenes politisches Gewicht einsetzen wird, um schwankende Delegierte auf seine Seite zu ziehen. Gegenwärtig scheinen die Gegner im Vorteil: Die Antragskommission des Parteitags hat sich bereits gegen die A 100 ausgesprochen. Zudem soll die Parteilinke, die den Landesverband dominiert, das Projekt überwiegend ablehnen. Diese Flügel-Zuordnung gilt aber nur unter Vorbehalt. In Neukölln etwa unterstützen SPDler den Bau vorrangig nicht deshalb, weil dort die Parteirechten das Sagen haben, sondern weil sie sich davon eine Verkehrsentlastung erhoffen. Auch Senatorin Junge-Reyer durchbricht die Rechts-Links-Einteilung: Sie, die tragende Stützte des Projekts, ist der Parteilinken zuzurechnen.
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