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A 100Anspruch auf Deutungshoheit

Die Parteispitze der Grünen beteuert vor ihrem Landesparteitag, die Autobahn nicht ausbauen zu wollen.

Beim Thema A 100 gehen alle Warnsignale an Bild: dapd

Vor dem Landesparteitag am Freitag haben führende Grüne versucht, Zweifel an ihrem Widerstand gegen die Verlängerung der A 100 auszuräumen. "Eine grüne Zustimmung zur A 100 wird es nicht geben", sagte Fraktionschef Volker Ratzmann am Donnerstag. Ähnlich äußerte sich Landesparteichef Daniel Wesener. Der Parteitag soll darüber entscheiden, ob die Grünen Koalitionsgespräche mit der SPD aufnehmen.

Die Grünen waren unter Druck, ihre Position zu klären, weil ein vermeintlicher Kompromiss zum Thema A 100 im Nachhinein von beiden Parteien unterschiedlich interpretiert wird. Der umstrittendste Satz lautet dabei: Die Verlängerung "wird nicht grundsätzlich aufgegeben". Für die SPD bedeutet das: Falls es nicht möglich ist, die für den Weiterbau vorgesehenen 420 Millionen vom Bund anderweitig zu verwenden, wird gebaut. So hatte das gegenüber der taz auch der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, interpretiert und mit seinem Parteiaustritt gedroht, "wenn die A 100 mit grüner Unterschrift gebaut wird".

Ratzmann und Wesener wollen von einer solchen Deutung nichts wissen: Die Formulierung solle nur die Möglichkeit eröffnen, das Geld auf andere Verkehrsprojekte umzulenken. "Franz Schulz muss nicht aus der Partei austreten, da können wir ihn beruhigen", sagte Wesener.

Offen blieb zuletzt auch, wo der grüne Anteil am Kompromiss liegt, nachdem sich der Regierende Bürgermeister und A-100-Verfechter Klaus Wowereit (SPD) auf die von den Grünen erhoffte Umwidmung eingelassen hatte. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bestreitet bislang, dass das Land Berlin die für die A 100 vorgesehenen Millionen anders nutzen könnte.

Ratzmann versuchte nun zu belegen, dass eine Umschichtung durchaus möglich ist. Er zitierte zu diesem Zweck unter anderem aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion aus dem Juli 2009, ob sich für Bundesfernstraßen eingeplante Mittel für Erhaltungs- und Lärmschutzmaßnahmen verwenden ließen: "Bei Vorliegen des entsprechenden Bedarfs ist dies grundsätzlich möglich. Dies entspricht jedoch nicht den Vorgaben des Bundesverkehrswegeplans 2003." Laut Ratzmann soll es in Baden-Württemberg möglich gewesen sein, Gelder umzuschichten. Zudem verwies er darauf, dass die Grünen mit ihrer Forderung lediglich einer Devise Ramsauers folgen würden: "Erhalt vor Neubau".

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2 Kommentare

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  • A
    axel

    Volker Ratzmann,Berliner Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen hat vor den Wahlen gesagt, daß die Grünen keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen werden, der den Weiterbau der Stadtautobahn A 100 zum Inhalt hat.

    Aber nach der Wahl gehts bei den Grünen mit der A100 wie mit anderen Wahlaussagen z.B. Elbvertiefung und Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg, Hochmoselbrücke in Rheinland-Pfalz, Atomausstieg sofort - alles vergessen, so nicht gesagt und gemeint, den Umständen und der angeblichen Realität angepaqßt und für eine Regierungsbeteiligung und Posten werden wichtige grüne Inhalte und Kernpositionen aufgegeben und der Wählerauftrag mit Füßen getreten. Viel tiefer können die Grünen moralisch und politisch nicht mehr sinken. Glaubwürdigkeit ade!

  • J
    J,C,F.

    Die Grünen selbst haben den "Kompromiss" in vollem Wortlaut erst selbst auf ihrer Website veröffentlicht, dann aber schamhaft wieder entfernt. Offenbar haben sie immer noch nicht begriffen, dass das Netz nichts verliert und nichts vergisst. Vielleicht sollten sie mal ein paar Nachilfestunden bei den Piraten nehmen.

     

     

    Der "Kompromiss" lautet wörtlich:

     

     

    "Das Projekt 16. Bauabschnitt der BAB 100 wird nicht grundsätzlich aufgegeben. Die Koalition setzt sich aber aktiv und ernsthaft dafür ein, dass die Umwidmung der Bundesmittel ermöglicht wird. Der Bau erfolgt nicht, wenn die investiven Bundesmittel in Infrastrukturmaßnahmen in Berlin umgewidmet werden können. Für den Bundesverkehrswegeplan 2015 wird ein zusätzliches Projekt angemeldet."

     

     

    Nicht der erste, sondern der dritte Satz ist der entscheidende, denn dort ist klar und unmissverständlich geregelt, dass die A 100 gebaut wird, wenn die Bundesmittel nicht umgewidmet werden können. Und dass die Bundesmittel nicht umgewidmet werden können, war ebenfalls von vornherein klar. Es gibt in Berlin einfach nicht so viele Bundesstraßen, dass dort 420 Millionen Euro verbuddelt werden können, es sei denn, man verfüllt die Schläglöcher mit Goldstaub.

     

     

    Dass Ratzmann mit seiner Behauptung, der Weiterbau sei nicht vereinbart worden, eine derart leicht zu widerlegende dumm-dreiste Lüge in die Welt setzt, kann eigentlich nur folgendes bedeuten: es ist ihm schlichtweg gleichgültig, ob ihm jemand glaubt. Für Ratzmann - und andere grüne Funktionäre - sind die Wähler nichts weiter als Stimmvieh, das mit der Stimmabgabe seine Schuldigkeit getan hat und von dem man auf dem Weg an die Fleischtröge der Senatorenposten jetzt bitteschön nicht mehr mit Erinnerungen an Wahlversprechen belästigt zu werden wünscht. Grüne Wahlversprechen sind schließlich dazu da, gebrochen zu werden. Und bis zur nächsten Wahl wird das blöde Stimmvieh eh alles vergessen haben.

     

     

    Wahrlich ein würdiger Fraktionschef einer degenerierten, korrumpierten, durch und durch verkommenen Partei.