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9.251 Stasi-Adressen auf Bestellung

■ taz dokumentiert Stasi-Adressen und legt detailliert Angaben über die Nutzung von konspirativen Wohnungen und Dienstobjekten offen - Interessenten können die Listen bestellen / Heißes Plenum und Debatte zur Veröffentlichung

Berlin (taz) - Die Zahl derjenigen, die gegen eine Veröffentlichung der von der taz entschlüsselten Liste mit 9.251 ehemaligen Stasi-Adressen sprechen, wird immer länger. Das Dokument basiert auf Recherchen des staatlichen Komitees zur Auflösung der Staatssicherheit, enthält detaillierte Angaben über die frühere Nutzung von konspirativen Wohnungen, Dienstobjekten, Freizeitanlagen usw. Entgegen einem anderslautenden Beschluß des taz-Plenums am Freitagabend entschied die Redaktionsleitung, die Liste nicht in der Zeitung zu veröffentlichen. Interessenten können sie schriftlich bestellen.

Dieser intern sehr umstrittenen Entscheidung gingen Diskussionen aber auch Interventionen von außen voraus. Das DDR-Innenministerium drohte zunächst mit Strafverfolgung. Einen Tag später behauptete die Diestel-Behörde, die Listen „mit rund 9.200 Objekten“ lägen seit April den staatlichen und Bürgerkomitees in den DDR-Bezirken vor. Diestel wörtlich: „Es ist tägliche Praxis, daß sie dort von Bürgern, von Vertretern aus Gemeinden, Verbänden und auch der Wirtschaft eingesehen werden“. Es bestehe „keinerlei Notwendigkeit, diese betreffenden Objekte erneut zu recherchieren“.

Nach dem Innenministerium beschworen namhafte DDR-SPD- und PDS-Politiker die taz, die Adressen nicht zu drucken. Auch das Ost-Berliner Bürgerkomitee hielt die Absicht der taz laut 'adn‘ „für unverantwortlich“, weil die „Gefahr einer Selbstjustiz und die Einbeziehung Unbeteiligter nicht ausgeschlossen werden könne“.

Genauso sehen es alle Ost-tazlerInnen und vereinzelt Mitarbeiter der West-taz. Ohne das Risiko eines Mißbrauchs in Einzelfällen ausschließen zu können, halten Befürworter die ungeschwärzte, ungekürzte Veröffentlichung im Blatt für geboten - im Interesse einer Auseinandersetzung mit der DDR -Vergangenheit.

Die DDR-Bevölkerung habe ein Recht, en detail und in toto zu erfahren, wo und wie die „Firma Horch, Greif und Guck“ gewirkt hat.

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