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Archiv-Artikel

90 MINUTEN … IN DEUTSCHLAND

Es gibt freundliche Menschen hier

Am Abend des Spiels Deutschland gegen Polen war ich dabei, mitten unter den Fans am Brandenburger Tor in Berlin. Ich habe noch nie Menschen gesehen, die so ausgelassen feiern. Voller Freude schwenkten die deutschen Fans ihre Fahne. Manche hatten sich komplett darin eingewickelt.

Vor der WM war die Angst groß, dass rassistische Angriffe die Atmosphäre des Turniers vergiften könnten. Auch in meinem Heimatland Sambia wurden diese Berichte gelesen. Es gab einige Schwarze, die Opfer wurden – aber seit das Turnier läuft, ist nichts mehr passiert.

Ich habe mir einige Spiele auf öffentlichen Plätzen angesehen, und tatsächlich: die Deutschen beherzigen die Botschaft der WM. Für sie ist es jetzt „A time to make friends“ – „die Zeit, Freundschaften zu schließen“. Ob das auch noch nach dem Turnier so ist?

Klar, es gab einzelne Fälle von Bedrohungen und Angriffen, aber soweit ich es bisher erlebt habe, feiern hier Menschen aller Kulturen gemeinsam. Mir ist jedenfalls nichts passiert. Vielleicht: noch nicht. Nur eines: ich bin Teil der allgemeinen Begeisterung geworden, und die ist beeindruckend.

Selbstverständlich ist Deutsch hier die Landessprache und man würde erwarten, dass hier nicht jeder Englisch spricht. Aber zum Glück können es die meisten. Englisch ist die offizielle Landessprache in meiner Heimat Sambia.

Es ist schon eine tolle Erfahrung, Teil der WM-Euphorie zu sein, vor allem, weil die meisten Deutschen mir mit einem Lächeln begegnen und manche sogar eine Konversation beginnen, im Zug, im Restaurant oder an der Bar. Manchmal muss man die Deutschen aber auch selbst ansprechen, um sie zum Reden zu bringen.

Am Dienstag wollten mein Kollege Wisdom Chimgwende aus Malawi und ich zum Berliner Olympiastadion fahren, um dort etwas von der Atmosphäre beim Spiel Brasilien gegen Kroatien zu erleben. Aber schon am Bahnhof Friedrichstraße hatten wir uns verlaufen. Als wir über den Fahrplan gebeugt herausfinden wollten, wie es jetzt weiter gehenkönnte, kam ein älterer Deutscher, vielleicht in den 60ern, auf uns zu: „Kann ich Ihnen helfen?“

Wir wunderten uns ein wenig, freuten uns aber. Und sagten ihm, wohin wir wollen. Er nahm den Fahrplan und erklärte uns genau den Weg. Wir bedankten uns und gingen los. Nach einigen Metern sagte mein Kollege: „Es gibt freundliche Menschen hier in Deutschland. Das ist sehr gut.“ Und tatsächlich: der alte Mann hatte uns den richtigen Weg gezeigt.

Es wurde noch ein toller Abend. Was für ein Erlebnis!