83.-84. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: 248 mal telefoniert
Die Ex-Frau von FDLR-Vize Musoni hatte ein Telefon, von dem aus allein im Jahr 2005 viele hundert Mal mit dem FDLR-Militärchef im Kongo telefoniert wurde.
STUTTGART/BERLIN taz | Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart weiß nach über einem Jahr Hauptverhandlung gegen Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, Führer der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), ganz gut, wie es sich mit sich selbst beschäftigt.
Da an den Verhandlungstagen 25. und 27. Juni, so wie bereits in der Woche zuvor, der eigentlich geladene ruandische Zeuge nicht da war, verbrachten die Parteien die Zeit damit, sich gegenseitig mit Anträgen, Stellungnahmen und Gegenstellungnahmen einzudecken, sich über die Vorbereitung der ab 2. Juli laufenden Befragung von UN-Experten zu streiten und, zumindest was die Verteidigung anging, sich über die Qualität der vorgelegten Beweismittel beziehungsweise mangelnde Einsicht darin zu beschweren.
Immerhin wurde bekannt, dass FDLR-Vize Musoni - von dem die als Zeugen auftretenden ehemaligen FDLR-Kämpfer meist nie gehört hatten - aktiv in Kontakt mit der FDLR-Militärführung im Kongo war. Zumindest wurde von einem Thuraya-Satellitentelefon im Besitz seiner Exfrau allein zwischen März und November 2005 insgesamt 248 Mal mit FDLR-Führern im Kongo telefoniert, davon 182 Mal mit FDLR-Militärchef Mudacumura.
Das war die Zeit der schließlich gescheiterten Rom-Verhandlungen zwischen FDLR und Kongos Regierung über eine Entwaffnung und freiwillige Rückkehr der Miliz nach Ruanda. Damals gab es auch interne Spannungen, die in einen erfolglosen Putschversuch gegen FDLR-Präsident Murwanashyaka gegipfelt hatten.
Musonis Sim-Karte
Besonders intensiv war der Kontakt zwischen Musoni und Mudacumura im April 2005, mit insgesamt 44 Gesprächen mit einer Gesamtdauer von über sechs Stunden, davon allein zehn am 23. April und 14 am 28. April. Dies war ungefähr die Zeit, in der die Rom-Initiative zusammenbrach.
Ob es wirklich Musoni war, der diese Gespräche geführt hat, lässt sich allerdings nicht zweifelsfrei feststellen, sagt die Verteidigung. Ebenso ob SMS-Nachrichten von Mudacumura, die auf einer Sim-Karte in Musonis Besitz gefunden wurden, wirklich an ihn gerichtet waren.
Die Bundesanwaltschaft hingegen meint, die Sim-Karte zeige, dass Musoni als Bindeglied zwischen dem politischen und dem militärischen Flügel der FDLR fungierte und dass er Berichte über politische und militärische Belange erhielt.
"Das Leid vervielfältigen"
Weiter wurden Schriftstücke aus dem Jahr 2009 von FDLR-Militärkommandanten im Kongo an kongolesische Zivilpersonen verlesen. Die UN-Expertengruppe zur Überwachung der Sanktionen gegen bewaffnete Gruppen im Kongo - von der ein damaliges Mitglied in der Folgewoche als Zeuge auftreten sollte - hatte diese Dokumente in ihrem Bericht vom 23. November 2009 zum Teil bereits ausgewertet, als Beweis, wie die FDLR die Zivilbevölkerung bedrohte und einschüchterte.
Hier bemängelt die Verteidigung, dass die Originale der Schreiben nicht vorliegen, sondern nur Kopien. Die Bundesanwaltschaft stellt klar, dass nicht einmal die UNO die Originale besitzt - die wurden von den Quellen im Kongo natürlich nicht weggegeben. Die Kopien werden nun jedesmal am Richtertisch eingesehen.
So plädiert Kommandeur Guillaume Simba vom FDLR-Bataillon Romeo am 22. März 2009 für die Wiedereröffnung des Marktes von Karasi: FDLR-Soldaten seien auf dem Markt angegriffen worden, aber man sei bereit zu kämpfen und „das Leid x-mal zu vervielfältigen“. Bei allen Dokumenten bestreitet die Verteidigung deren Echtheit oder Aussagekraft; sie behauptet sogar, weder das Bataillon Romeo noch Kommandeur Guillaume hätten tatsächlich existiert.
Explizite Drohungen
Aber viele Schriftstücke sind sehr explizit. Ein Schreiben kongolesischer Zivilisten, die zu ihrem Schutz in der Verhandlung ungenannt bleiben, vom 7. November 2009 führt FDLR-Übergriffe aus: „Wir wollten Öl kaufen, die FDLR hat uns angehalten, sie befahlen uns, uns auf den Boden zu setzen, sie nahmen unser Geld und zwei Boxen Salz“, steht da, und auf der Rückseite: „All dies ist um 10 Uhr passiert auf der Straße, man hat uns mit Stöcken mehrmals geschlagen und uns bestohlen... die Banditen haben die Richtung Ntando genommen, sie sind weggelaufen“. Wenige Tage zuvor, am 29. Oktober, war in einem internen FDLR-Schreiben von einer „Steuererhebung auf Öl“ die Rede gewesen.
In Schreiben aus der Zeit März und April 2009 - einer Zeit schwerer Kämpfe zwischen Kongos Armee FARDC und der FDLR - erklärt die Miliz der kongolesischen Zivilbevölkerung: „Fordert eure Regierung auf, dass sie aufhören soll, uns zu ärgern. Sie haben den Krieg ausgewählt, sie werden das Übel des Krieges sehen“.
Und: „Sagt der FARDC, sie soll aufhören. Sie soll nicht in die Wälder, wir sind schon in der Stadt“. Und: „Was in Masisi geschieht, soll eine Warnung sein, was passiert, wenn man ein Feuer anzündet und nicht weiß, wie man es löscht.“
"Morgen töten wir"
Und schließlich, am 28. Juli 2009, als die FDLR bereits empfindlich geschwächt war, eine ultimative Warnung: „Ihr habt uns vertrieben von hier, wo wir wohnten. Ihr müsst uns anhören, sonst verschaffen wir uns Gehör. Es ist nicht mehr 1996/97, wo ihr uns abschlachtet. Heute zerstören wir, morgen töten wir... Wenn euch euer Leben lieb ist, geht nach Bukavu. Wenn wir in zwei Tagen kommen und noch jemand da ist, werden wir ihm die Kehle durchschneiden.“
Dazu kam es nicht. Stattdessen eroberte die FARDC am 28. Juli 2009 zwei wichtige FDLR-Stellungen in Süd-Kivu, in Kashindaba und in Bushale östlich von Mwenga, wie die UN-Mission zwei Tage später bestätigte.
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