Bei Amanda Palmer
: 80er-Parodie

Nasen- und Zebrafische umkreisen ein Korallenriff

Welch bunter Strauß im C-Club! 17-jährige Fantasymädchen, die jede Sekunde das Schwert zücken könnten, einige Gothic-Jünger neben alten Kulturmännern mit grauen Zöpfen. Eine Familie, die wie beim Ausflug beieinander weilt. Nur ohne Butterbrotdose. Ein paar knutschende Liebespaare mit hippen Frisuren. Sie alle sind gekommen, um Ex-Dresden-Doll Amanda Palmer mit ihrem Grand Theft Orchestra zu sehen.

Zuerst spielt nur ein Teil des Orchestras. Jherek Bischoff und Band bieten eine fade 80er-Parodie, die ich bei der Mini-Playback-Show schon besser – oder schlechter? – ach, egal, gesehen habe. Ich gehe in die Lounge, da gibt es ein animiertes Aquarium. Es läuft meditative Musik. Bestens. Nasen- und Zebrafische umkreisen ein Korallenriff. Eine junge Fantasyfrau setzt sich neben mich. Auf ihrem Oberarm windet sich eine Frau, von Drachen umgeben. „Das ist mein neuestes Tattoo“, sagt sie. Ich überlege, wie die grünlichen Fische auf der Leinwand heißen.

Gegen zehn betritt Frau Palmer in opulentem Kostüm die Bühne. Sie setzt auf Beats und Bombast, Pomp und Pathos. Die 80er halten weiter Einzug. Der Gitarrist des Grand Theft Orchestras ist richtig hart in dieser Epoche hängengeblieben. Sieht aus wie ein junger Gary Moore – und spielt auch so. Daneben: Bassist Michael Stich. Sieht zumindest so aus, ist aber wieder Bischoff. Palmer verströmt trotzdem Glanz. Etwa, wenn sie „Die Seeräuber-Jenny“ aus der Dreigroschenoper spielt. Vom Pathos kriegt sie nicht genug: Sie lässt sich vom Publikum tragen, ein weißer Schleier folgt ihr. „Amanda!“, kreischen die Fantasymädchen. Amanda aber „möchte ein Eisbär sein“. Singt sie zumindest. Zum Schluss spielt sie Radioheads „Creep“ auf der Ukulele. Ein Sopranchor im C-Club singt mit. Ich verschwinde. Draußen ist es fünf Grad minus und ich denke über die Sache mit dem Eisbären nach. JENS UTHOFF