80 Jahre D-Day: Der lange Weg aus dem Krieg
Über den blutigen Sommer 1944 hat der Journalist Christian Bommarius ein fulminantes Buch geschrieben. Es erscheint vor dem 80. Jahrestag des D-Day.
![Soldaten rennen sich duckend über eine unbefestigte Straße, vorne steht ein Panzer, hinteer ihnen liegt ein Lastwagen im Graben Soldaten rennen sich duckend über eine unbefestigte Straße, vorne steht ein Panzer, hinteer ihnen liegt ein Lastwagen im Graben](https://taz.de/picture/6916145/14/34487935-1.jpeg)
D er britische Schauspieler Michael Caine kennt sich aus mit Kriegen. Seine Erinnerungen daran sind alles andere als gut. Im Koreakrieg hatte er eine Nahtoderfahrung, die sein ganzes weiteres Leben bestimmte: „ich wollte nur noch jeden verfluchten Moment leben.“ Das ist ihm durchaus gelungen. Caine gewann zwei Oscars und ging erst mit 91 Jahren in Rente. Für seinen letzten Film „In voller Blüte“ (The Great Escaper) der 2023 in die Kinos kam, war er die Idealbesetzung.
Er spielt darin einen englischen Veteranen des Zweiten Weltkrieges, den authentischen Bernard, „Bernie“ Jordan. Als Matrose hatte Bernie 1944 an der Landung der Alliierten in der Normandie teilgenommen und er wollte deswegen unbedingt den 70. Jahrestag in Frankreich mitfeiern. Die Leitung seines Altersheims zeigte dafür kein Verständnis und Bernie beschloss einfach abzuhauen. Eine großangelegte Suchaktion wurde eingeleitet. Nur Bernies Frau (im Film gespielt von Glenda Jackson) machte sich keine Sorgen um ihn: „Er hat ja schon einmal den Weg nach Frankreich gefunden.“
Tatsächlich mogelte sich Bernie ohne Eintrittskarte in die D-Day-Feierlichkeiten. Am Ende interessierte sich die britische Presse mehr für ihn als für die VIP-Gäste Elisabeth II. und Präsident Obama.
Das rituelle Flaggenschwingen dieser Feiern geht jüngeren Briten mittlerweile auf die Nerven, doch sie wissen, ohne die alliierte Invasion wäre der Krieg nicht so schnell beendet worden. Der Preis dafür war hoch.
Ein unerbittliches Buch
Wie schrecklich blutig der Sommer 1944 verlief, zeigt jetzt auch Christian Bommarius fulminantes Buch „Todeswalzer. Der Sommer 1944“. Es ist trotz seines ironischen Stils („der Krieg ist in der Welt, aber nicht in der Welt von Gertlauken“) ein unerbittliches Buch geworden. Bommarius beschreibt aus multiperspektivischer Sicht das Grauen der letzten, nicht enden wollenden Kriegsmonate. Seine Protagonisten sind Nazis, Antinazis und KZ-Opfer – bekannte und unbekannte Stimmen, die sich an Illusionen klammern oder schon lang keine mehr haben.
Da treiben einschlägige Sadisten wie Alois Brunner ihr Unwesen genauso wie gewitzte Filmschaffende, die sich 1944 aus dem bombardierten Berlin an den Bodensee retteten. Ihr Filmtitel „Umarmt das Leben“ entsprach so wenig der Realität, dass sie ihn in „Leb wohl, Christina“ abändern mussten. In die Kinos schaffte es der Film trotzdem nicht mehr.
Im Nachwort zeigt Bommarius auch, was aus „seinen“ Überlebenden des Sommers 44 wurde. Emsig Arisierende wie Musicalstar Marika Rökk tanzten sich schnell wieder in die erste Reihe der BRD, während Lebensretter wie Wilm Hosenfeld elend in sowjetischen Lagern zugrunde gingen.
Inmitten von neuen Kriegen passt dieses vielschichtige Buch perfekt zum 80. Jahrestag des D-Day. Glamourös werden die Feierlichkeiten dieses Jahr nicht mehr verlaufen. Die Royals sind angeschlagen und Präsident Biden könnte neben den 100-jährigen Veteranen zu alt aussehen. Vor allem wird der Optimist Bernie fehlen. Er starb sechs Monate nach seiner Flucht aus dem Altersheim. Seine Ersparnisse vermachte er der RNLI, dem britischen Verein für Rettungsboote.
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