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68er-VergangenheitsbewältigungBloße Epigonen

betr.: „Mit dem Lächeln der Freiheit“ (Interview mit Daniel Cohn-Bendit), „Die Rache der Enterbten“ (E. Seidel), „Schröder verteidigt 68er“, taz vom 18. 1. 01, „Recht auf Irrtum“ (B. Gaus), „Opposition ganz ohne Herz für Joschka“, taz vom 19. 1. 01,

Schade, dass sich die deutsche Bundesregierung noch nicht mit Gruppendynamik beschäftigt – wie es zum Beispiel die neuseeländische Regierung laut Presse schon vor Jahren getan hat. Sonst könnte sie die eigene Art des Miteinander-Sprechens wahrnehmen – während der heißen Debatte um die 68er und Joschka Fischers damaligen Verhaltens – und dabei entdecken, wie ein gesundes Miteinander durch die Bejahung aller menschlichen Schattierungen in sich selber und folglich auch im anderen entsteht. EVA-MARIA PUDELKO, München

[...] Der Ökonom Maynard Keynes hat einmal geschrieben, dass die wesentliche Prägung eines Menschen bis etwas zum 25. Lebensjahr erfolgt, dann wird angebaut; die Tragik der 68er ist, dass sie diese Prägung erfahren haben bis Anfang der 70er-Jahre, also bevor die auch heute noch wesentlichen sozialen und ökologischen Herausforderungen deutlich wurden. Sicher, es gibt jene Post-68er, für die sich revolutionäre Attitüde nicht mehr ohne Probleme mit A-, BAT- oder C-Positionen verbinden ließ, die sich auf einem freien Markt bewähren mussten. Insgesamt jedoch haben sich diese Post-68er als bloße Epigonen erwiesen: Auch von ihnen wurden soziale und ökologische Probleme instrumentalisiert für Egotrips innerhalb existierender Institutionen. Dies sind Erfahrungen, die sehr deutlich werden in dem jetzigen mit einigen grünen Tupfen versehenen sozialdemokratischen Regierungsprojekt, einem Projekt, welches vielleicht nicht zeitlich, aber doch inhaltlich dem Ende näher ist als dem Anfang. [...]

ROLF SCHRÖDER, Hannover

Es ist schon interessant, dass sich Merkel und Merz einen Rücktritt von Fischer wünschen und sich doch nicht trauen es auszusprechen. Was werden wohl die Gründe dafür sein? Ist es vielleicht Exkanzler und Hinterbänkler Kohl, der noch heute im Bundestag sitzt, obwohl er der Lüge überführt ist, Koch in Hessen, Schäuble, um nur die drei wichtigsten zu benennen? Oder die Angst vor der Popularität Fischers in der Öffentlichkeit?

Es ist auch egal, wieder einmal macht sich die Doppelspitze vor aller Welt lächerlich: Merkel, die doch in den Sechzigern und Siebzigern gar nicht in der Bundesrepublik gelebt hat, spricht davon, dass die Bundesrepublik seit 1949 „demokratisch, liberal, tolerant und weltoffen“ war. Doch die Bundesrepublik war weder tolerant noch weltoffen. In dieser Bundesrepublik war es unter Strafe gestellt, homosexuell zu sein, und Abtreibung war strafbar (so wie zum Beispiel heute noch im Iran), auf friedliche Demonstranten wurde eingeknüppelt, damals gab es keine Deeskalationsmaßnahmen von seiten der Polizei. Es wurde geschossen, geschlagen mit Wasserwerfern aufgefahren und Menschen überfahren (Günther Sare). [...] Es war die Studentenbewegung, es waren brennende Autos, es waren auch die Straßenschlachten, die Deutschland aus dem Dornröschenschlaf erwachen ließen und ein wenig toleranter und weltoffener machten.

GUNTER SEAT VON FOULLON, Berlin

Ach ja, es ist doch schon erstaunlich, was da einige Kommentatoren für Schlüsse aus dem Kosovokrieg gezogen haben. [...]

Natürlich hat auch der Nato-Einsatz einige hundert bis einige tausend Tote gefordert. Daran gibt es auch nichts zu beschönigen. Wenn man das allerdings in Beziehung setzt zu den 200.000 Opfern im Bosnienkrieg und berücksichtigt, dass ein ohne den Nato-Eingriff wahrscheinlich unvermeidlicher Bürgerkrieg im Kosovo eine ähnliche Größenordnung angenommen und wahrscheinlich auch noch Albanien und Makedonien mit hineingezogen hätte, wird man das, so „realpolitisch“ es auch klingen mag, vielleicht als das kleinere Übel akzeptieren können.

INGO MEHLING, Frankfurt am Main

Bei aller ernsthafter Beschäftigung mit Fischers Vergangenheit dürfen wir nicht übersehen, dass es für die Konservativen im Lande zunächst und vor allem darum geht, über die Person des Außenministers zu einer Veränderung der politischen Verhältnisse im Land in ihrem Sinne zu kommen. Daher befinde ich mich, als jemand, der wegen Fischer und seiner Politik nach zwanzig Jahren fast die Grünen verlassen hätte, in dieser Auseinandersetzung selbstverständlich auf seiner Seite.

Gleichzeitig müssen wir aber sicherstellen, dass über solche Solidaritätseffekte (und auch durch Fischers Popularität!) nicht der Weg zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Fischer und der von ihm repräsentierten Politik verstellt wird. Ich jedenfalls vermag weder das Innovative in der von Fischer verantworteten Außenpolitik zu erkennen, noch bin ich einverstanden mit dem Umgang der Partei mit ihren einst identitätsstiftenden Überzeugungen. Auch nicht übrigens mit dem bereits nachlassenden Reformeifer der rot-grünen Koalition. Schön, wenn das in dieser Ausgabe der taz abgedruckte Interview mit Cohn-Bendit nicht rein taktischer Natur wäre. TARIK TELL, Bonn

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