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Archiv-Artikel

60 Minuten Panik

Entgleister Sonderzug: Mit „Absolut Udo Lindenberg“ feiert RTL einen gesamtdeutschen Popstar (21.45 Uhr)

Seine große Zeit hatte Udo Lindenberg in den Siebzigern mit Hits wie „Ein ehrenwertes Haus“, noch heute beendet er seine Konzerte traditionell im weißen Bademantel … huch! Nein, das war ja der andere Udo, der unlängst im ZDF seinen Siebzigsten feierte! Wer heute wissen will, wo Udo Lindenberg nach 30 Jahren Karriere künstlerisch so steht, der erfährt darüber im Plattenladen weniger als bei RTL, wo am Samstag zwischen der „90er Show“ mit Oliver Geissen und „Die Bademeister –Weiber, saufen, Leben retten“ noch Platz war für „Absolut Udo Lindenberg“.

So gesehen wäre Udo Lindenberg für RTL, was Udo Jürgens fürs ZDF ist – Schutzheiliger, Maskottchen, Quotenbringer. Und Sendbote einer TV-Ära, in der es (nach dem Ende von Nischenformaten wie „Fast Forward“ auf dem Klingeltonkanal Viva) kein Musikfernsehen mehr geben wird, das sich ernsthaft für Musik interessiert. Lindenbergs Bühnenjubiläum war schon am 3. Oktober 2003? Egal, wer wird denn so kleinlich sein?

Statt dessen gibt’s stromlinienförmige Spektakel aus dem Wind- und Konsenskanal der Programmplaner. „Absolut …“ ist deswegen auch nicht nur ein Wodka, den es für 16,95 Euro pro Liter im RTL-Shopping-Portal zu erwerben gibt, sondern auch eine Sendereihe, in der bisher schon Elton John und Madonna verwurstet wurden.

Mit Günther Jauch, Reinhold Beckmann, Atze Schröder, Heidi Klum, Otto Waalkes, Nina Hagen oder Gaby Köster tritt dasselbe Personal zur Feier und Würdigung an, das für RTL auch schon die „70er“, „80er“ und „90er Jahre“ hinreichend gefeiert und gewürdigt hat. Gregor Gysi gemahnt an die gesamtdeutsche Wirkung von „uns’ Udo“, der ja mal mit einem Sonderzug nach Pankow gereist ist, während Popsternchen Yvonne Catterfeld als Duettpartnerin den Draht zur werbezielgruppenrelevanten Jugend herstellen soll.

Dass wir hier dennoch etwas über den Menschen Lindenberg erfahren, liegt alleine am formatsprengenden Menschen Lindenberg selbst. Als er mit Moderator Oliver Geissen durch sein Heimatstädtchen Gronau kreuzt, kommen sie an einer Kneipe vorbei. Dort sei er oft hingeschickt worden, als Kind. Um seinem Vater zu sagen: „Ist gut jetzt, es reicht für heute.“ ARNO FRANK