60 Jahre Atomlaufzeit: Union erwägt ewige Akws
CDU/CSU-Fraktionschef Kauder prüft eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke um bis zu 28 Jahre – und ärgert damit Umweltminister Röttgen.
BERLIN taz/dpa | Die Union will eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bis 28 Jahre und nicht nur bis 20 Jahre prüfen lassen. Das bestätigten CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich und der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier (CDU), am Dienstag nach Beratungen des Koalitionsausschusses. Sie bezogen sich dabei auf Beratungen am Vorabend im Fraktionsvorstand. Damit würde sich die Regellaufzeit für Reaktoren im Extremfall von 32 auf 60 Jahre verlängern.
Dabei geht es im Rahmen des für Herbst angekündigten nationalen Energiekonzepts um alternative Anteile von Atom-, Kohle- und Ökostrom zur Sicherung der künftigen Energieversorgung (Energiemix). Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hatten sich für die nötigen Modellrechnungen zuletzt auf Laufzeitverlängerungen zwischen 5 und 20 Jahren verständigt (taz vom 19. 3.).
Röttgen selbst strebt eine Laufzeitverlängerung um nur acht Jahre an, erntete für diesen Vorstoß aber heftige Kritik aus den eigenen Reihen. Für ein stärkeres Entgegenkommen an die Atomindustrie treten insbesondere die Südländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ein, die bislang am stärksten von der Atomenergie abhängig sind. In der Fraktion hatten sich vor allem der rheinland-pfälzische Mittelstandspolitiker Michael Fuchs und der schwäbische Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer für die Energiekonzerne starkgemacht. Das Verhältnis zwischen dem Umweltminister und Fraktionschef Volker Kauder gilt als angespannt, weil nach der letzten Bundestagswahl eine Ablösung Kauders durch Röttgen im Gespräch war. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich vor der Entscheidung im Herbst nicht auf bestimmte Laufzeiten festlegen. Das Umweltministerium wollte sich am Dienstag auf taz-Anfrage zu dem Fraktionsbeschluss nicht äußern.
Altmaier betonte, der Prüfauftrag bedeute keine Vorfestlegung: "Wir wollen, dass keine Vorentscheidung über die Frage fällt, wie lange man verlängert." Man brauche aber für die Entscheidung bis zum Herbst "eine möglichst große Bandbreite" an Berechnungen. "Die Zahl 28 gehört dazu, weil sie in Europa und international als Maßstab üblich ist." Auch Friedrich betonte, es gebe noch keine konkrete Festlegung. Er halte es aber für richtig, eine Gesamtlaufzeit von 60 Jahren zu prüfen.
Leser*innenkommentare
DenkSchlächter
Gast
25.03.2010 12:17 Uhr von JanG:
Ihre Worte: „KKW's unterliegen strengen Sicherheitsbestimmungen und werden regelmässig dem Stand der Technik angepasst. Da jede auch noch so kleine Abweichung, und sei es ein falscher Dübel in der Wand, gemeldet werden muss, entsteht das verzerrte Weltbild dass KKW's unsicher sind….“ Zitat Ende.
Flugzeuge sind alles andere als „low tec – Produkte“. Ihre Bau-, Wartungs- und Betriebsvorschriften sind ebenfalls sehr auf höchste Zuverlässigkeit ausgerichtet. Dennoch stürzen leider immer wieder Flugzeuge ab. Fehlerspektrum, sehr breit, vornehmlich menschliches Versagen bei Konstruktion, Material, Wartung und im Flug. Technisches Versagen, beginnend bei der „kleinsten Schraube“ bis hin zu komplexen Bauteilen.
Der Unterschied: überschaubare und von den Gesellschaften tolerierte Opferzahlen. Keine Tausende von Jahren schädlichen Nutzungsfolgen. Keine Alternative. Das sollte zu denken geben…
JanG
Gast
KKW's unterliegen strengen Sicherheitsbestimmungen und werden regelmässig dem Stand der Technik angepasst. Da jede auch noch so kleine Abweichung, und sei es ein falscher Dübel in der Wand, gemeldet werden muss, entsteht das verzerrte Weltbild dass KKW's unsicher sind.
Sieht man sich mal um, so zeigt sich, dass in den letzten fünfzig Jahren rund 4.000 Menschen durch Unfälle in kerntechnischen Anlagen gestorben sind (fast alle übrigens in Tschernobyl). Aber allein bei der Dammkatastrophe 1979 in Indien (ein Werk welches Strom aus Wasser gewinnt), starben mit einem Schlag rund 15.000 Menschen. Interessanterweise wird dieses Jahr aber lieber mit Harrisburg in Verbindung gebracht, einem Vorfall bei dem kein Mensch gestorben ist.
Weiterhin wurde die KiKK-Studie angeführt (Krebs um KKW's). Diese hat aber einen großen Mängel: sie betrachtete nur kerntechnische Anlagen. Für eine wirkliche Aussagekraft hätte sie auch andere Industriestandorte betrachten müssen. Eine englische Studie in den 70ern hatte genau das gemacht. Ergebniss: in der Nähe einer jeden Großindustrie (egal ob KKW, Chemiekombinat, Textilbetrieb oder Großbäckerei) stieg das Leukämierisiko signifikant an. Grund: bisher nicht bekannt.
Ich will damit nicht sagen, dass Kernkraft super und der Weisheit letzter Schluss ist. Sondern dass Technik nunmal gewisse Risiken birgt. Bereits die Urmenschen sind das Risiko eingegangen, sich ihre Hände zu verletzen oder die Höhle abzufackeln als sie anfingen, Feuersteine zu nutzen. Hätten sie damals lieber das Risiko gescheut, wir würden heute noch in Höhlen wohnen und rohes Fleisch essen.
Und Fakt ist auch, dass ein gewisser Energiebedarf besteht. Dieser wird derzeit zu ca. 23% durch die Kernkraft gestellt. Auch eine Grundlast muss zur Verfügung gestellt werden. Hier liegt der Anteil durch die Kernkraft bei etwa 45 %. Der Rest geht auf die Kohle und ganz wenig noch auf Wasser. Aber wenn man kommt und den Leuten ein paar Kohlekraftwerke hinstellt schimpfen sie auch.
Nun also meine Frage: wo soll denn die ganze Energie herkommen? Welche Möglichkeiten haben wir JETZT und HEUTE, diesen Bedarf zu decken. Und bitte auch folgendes bedenken: Auch in Zukunft muss er gedeckt werden. Es ist nicht so gut, darauf zu bauen dass vielleicht in Zukunft was da sein könnte. Solange sich keine Möglichkeit abzeichnet mit regenerativen Energien Strom und Grundlast zu liefern (und aktuell zeichnet sich da nichts ab), ist es mE keine gute Idee, alles abschalten zu wollen. Ich mag es nämlich wenn ich abends nach Hause komme in eine Wohnung wo ich Licht habe und aus einem funktionierenden Kühlschrank mein Essen raushole.
Fritz Noss
Gast
von DenkSchlächter: Ich kann mich nur anschließen!
http://100-gute-gruende.de
http://www.atomausstiegselbermachen.de
Wenn ich mit einem Auto mit dem technischen Stand von vor 30 Jahren beim TÜV auftauchen würde, wäre das Gelächter groß und man würde mich für einen Spinner halten!W Würde ich von der Polizei mit solch einem Uraltfahrzeug erwischt werden, wäre mein Führerschein zu recht erst mal weg, WEIL ich grob fahrlässig andere Menschen gefährde!
Bei einem AKW ist dies umso leichtsinniger, da die Risiken unvorstellbar hoch sind!
Die Regierung tritt uns Bürger vorsätzlich mit den Füßen, daher sollten möglichst viele am 24.4.2010 erscheinen
http://www.ausgestrahlt.de/mitmachen/menschenkette.html
Daniel
Gast
"Die CDU sollte sich mal (...) erkundigen..."
Den Teufel werden sie tun!
Heidemarie Wätzold
Gast
Auch in Sachen Atompolitik übt sich unsere Regierungskoalition in Scheingefechten für die Medien (damit die Papier und Sendezeiten füllen können) und für die Bürger, der glauben soll, auch er findet sich in der Regierungs-Politik wieder.
Wiederum eine großartige Verarsche der Wähler. Und es zahlt sich noch aus, dieses lügen-tricksen-verschweigen. Siehe letzte Bundestagswahl.
Zwar fordern "die Bürger" ehrliche Politiker, wählen aber die, von denen sie ziemlich sicher wissen das diese ihre Versprechen nicht halten.
Nicht halten dürfen, soll nicht das gesamte Volk geschädigt werden, wie durch FDP-Steuersenkungen!
Jan
Gast
Na, wer hätte damit gerechnet...?
vantast
Gast
Die CDU sollte sich mal bei Technikern erkundigen, wie lange Materialien und Verbindungen halten, oder sich das eigene Haus,Auto ansehen, dann würden sie (hoffentlich) erkennen, daß der Zahn der Zeit alles zerstört. Offenbar ist der Profitgedanke stärker als jedes Bedenken.
thomas reschenried
Gast
und die wollen mit den grünen?
reblek
Gast
"60 Jahre Atomlaufzeit" - Ist in der taz-Redaktion mittlerweile jeder Unfug erlaubt? Wenn man es als "Atomlaufzeit" bezeichnen wollte, währt diese nicht nur 60 Jahre, sondern eher eine Ewigkeit. Aber anscheinend kommt es auf den richtigen Begriff nicht an, wie schon Goethe sagte: "Wo Begriffe fehlen, stellt zur rechten Zeit ein Wort sich ein."
manni
Gast
Man sollte mal prüfen lassen, ob einige der Unionspolitiker überhaupt die geistige Reife besitzen, das Volk angemessen vertreten zu können.
DenkSchlächter
Gast
Die Argumente sind nicht neu – dennoch so aktuell, daß sich alle Beteiligten noch einmal vor Augen führen sollten:
Befürworter: Atomkraft hat keine Existenzberechtigung, ob in Deutschland oder anderswo…
Besonders aber Frau Dr. Merkel hat doppelte Verantwortung: 1. als Bundeskanzlerin, 2. als promovierte Physikerin. Sie ist demnach keine „beliebige“ Kanzlerin, sie kann die Chancen und Risiken auch von Atomanlagen besser einschätzen als schätzungsweise 95% aller übrigen Bürger, (nicht nur) Politiker und Wirtschaftler.
Nicht nur Mechaniker wissen, daß Technik auf unterschiedlichste Weise versagen kann, sei es durch konzeptionelle- oder Materialfehler, durch Betriebsbedingungen, menschliches Versagen oder Attentate uvm.
Dieses Wissen sollte Frau Dr. Merkel ebensowenig fremd sein, wie der Unterschied von Versagensfolgen beliebiger Technik zu dem was uns erwartet, wenn Atomtechnik versagt.
Tschernobyl, Harrisburg, Windscale umgetauft in Sellafield, Kyschtym (Majak) - Sowjetunion, Santa Susana Field Laboratory und Lucens, Schweiz, um nur einige wenige zu nennen, schon vergessen?
Wie viele Unfälle wurden verschwiegen, vertuscht?
Es ist verdummendes Schlagetot-Gewäsch, daß sowjetische Technik schlechter als westliche (gewesen) sei. Im Endeffekt sind das allenfalls mehr oder weniger graduelle Unterschiede.
Saubere Atomenergie?
Ein sehr schlechtes Märchen oder schlicht: gelogen.
Da sind die Belastungen bei der Uranförderung ( Beispiel: früher Aue, DDR).
Niemand kann (will) wirklich nachweisen, welche Wirkung auch Strahlung hat, auch diejenige, die deutlich unter den mehr oder weniger willkürlich festgelegten Grenzwerten liegt (z.B. Krebsfälle bei Atomkraftwerken).
Verstrahlung sieht man nicht, schmeckt man nicht, riecht man nicht, spürt man nicht, bzw. Letzteres erst dann wenn es zu spät ist.
Die Entsorgung:
es gibt bis heute keine sichere Entsorgung atomarer Abfälle, das Erbe, die „strahlende Zukunft“ dieser Abfälle wird folgende Generationen zu besonderem Dank veranlassen.
Asse läßt grüßen!
So etwas gilt den Befürwortern als „umweltfreundlich“!
Als besonders verlogen zeigten sich bisher bayerische und baden-württembergische Landesregierungen: Atomkraft ja, Entsorgung: bei uns nicht!
Billige Atomenergie? Was ist für wen daran billig?
Wer weis, was diese an Forschung und Entwicklung und damit an wissenschaftlich-technischen Ressourcen und auch an Geld – hauptsächlich den Steuerzahler - gekostet hat?
Wer hat nachgeschaut? Wer hat den wirtschaftlichen Nutzen?
Welche Tricks haben die Atomkraftwerksbetreiber noch auf Lager um die Menschen zu verdummen, damit sie aus abgeschriebenen AKW’s noch mehr Profit ziehen?
Glaubt denn jemand allen Ernstes daran, daß – wie jetzt kolportiert – nennenswerte Gewinnanteile der Entwicklung weiterer regenerativen Techniken zugute kommt?
Resümee:
Wären zuvor nur ca. 10% der Ressourcen in nachhaltige Energiegewinnung geflossen, dann – so bin ich mir sicher – wäre das Thema Atomenergie längst keines mehr.
Ich empfinde ein äußerst übles „Gschmäckle“ wenn ich Befürworter von Atomkraft betrachte. Möglichkeiten: skrupellose Geldgeile mit Wissen, Ahnungslose und Leute mit „Barockengelhändchen“ ????