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54 Milliarden Dollar für AKWObama empört Umweltschützer

US-Präsident Obama will den Bau von Atomkraftwerken mit 54 Milliarden Dollar fördern – die Krönung einer dauerhaften Lobbyarbeit der Atomindustrie.

Exakt jene Stichworte benutzt, die die Atom-Lobbyisten benutzen: US-Präsident Obama. Bild: dpa

Die Eiszeit für die Atomindustrie in den USA ist beendet. So zumindest sieht es aus. Nach mehr als drei Jahrzehnten, während deren kein einziges neues AKW in Auftrag gegangen ist, hat jetzt ein US-Präsident neue Perspektiven für die Branche eröffnet. In seinem Haushalt will Barack Obama die staatlichen Garantien für Atomkraftwerke verdreifachen. 54 Milliarden US-Dollar will er bereitstellen, um "eine neue Generation von sicheren, sauberen Atomkraftwerken in diesem Land" zu bauen.

Für seine Ankündigung hat der Präsident exakt jene Stichwörter gewählt, die die LobbyistInnen der Atomindustrie benutzen. Seit zehn Jahren haben sie ihre Einflussnahme auf die MeinungsführerInnen in Washington verstärkt. Sie haben dabei Millionen für Reklame, für die Unterstützung der Wahlkampagnen von PolitikerInnen (davon 60 Prozent für demokratische KandidatInnen) und für Studien ausgegeben.

Bei ihren Kampagnen für die Wiederbelebung der Atomenergie setzen sie auf drei Leitmotive: "patriotisch", "grün" und "klimafreundlich". Jetzt zeigt sich, dass sich die Anstrengungen der Lobbyisten gelohnt haben. "Ich begrüße die Absicht des Präsidenten außerordentlich", jubelt Marvin Fertel, der Chefvorsitzende der Washingtoner Lobbyorganisation "Nuclear Energie", nach Obamas Rede.

Es war nicht unbedingt absehbar, dass Obama derjenige Präsident werden würde, der das Rufen der Atomindustrie nach einer neuen Generation erfüllen würde. Seit sein Amtsvorgänger George W. Bush die Atomenergie als "Pfeiler der Energiepolitik" der USA bezeichnet hatte, war in der Branche neue Hoffnung aufgekommen. Ab 2007 stellte sie insgesamt 17 Anträge auf Baugenehmigungen für neue Reaktoren.

Doch der atomsichere Kandidat für die Präsidentschaft der USA schien der Republikaner McCain zu sein. Denn der hatte in seinem Wahlkampf den Bau von 45 neuen AKWs bis zum Jahr 2030 angekündigt: um die Abhängigkeit von ausländischem Öl sowie die Emission von Treibhausgasen zu senken, während der Demokrat Obama sich skeptisch gab. Er warf McCain unter anderem vor, keinen Plan für den Atommüll zu haben.

Nun haben Rezession und Arbeitslosigkeit einerseits, die Klimakonferenz von Kopenhagen andererseits, dem Präsidenten Obama neue Argumente geliefert. Der Demokrat aus dem Bundesstaat Illinois, wo besonders viele Atombetreiber ansässig sind, wird jetzt von UmweltschützerInnen in seinem eigenen Lager kritisiert. Aber Oppositionspolitiker beglückwünschen ihn. Der republikanische Senator Lindsay Graham aus South Carolina jubelt: "Wir haben eine einmalige Gelegenheit". Lisa Murkowski, republikanische Senatorin aus Alaska, lobt: "Ein guter erster Schritt in Richtung Ausbau der Atomenergie."

Im Hintergrund steht für Obama unter anderem das Klimagesetz. Dieses durchzubringen ist schwieriger geworden, denn seit dem Verlust des Wahlkreises von Kennedy in Massachusetts verfügen die Demokraten im Senat nicht mehr über die 60-Prozent-Mehrheit, die Gesetzesprozesse deutlich beschleunigen kann.

Die USA sind mit 104 in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken der weltweit größte Produzent von Atomenergie. 69 davon sind Druckwasserreaktoren, die meisten anderen Siedewasserreaktoren. Hinzu kommen 16 stillgelegte AKWs aus der ersten Generation. Die Energieproduktion aus diesen AKWs ist auch in den Jahrzehnten der Eiszeit weiter gestiegen. Das lag vor allem daran, dass einige bereits Anfang der 70er-Jahre beschlossene AKWs erst in den 80er-Jahren an die Leitung ging. Damals war, infolge des Unfalls im AKW von Three Mile Island im März 1979, das Atomprogramm in den USA bereits gestoppt.

Doch trotz der gestiegenen Produktion decken AKWs heute in den USA nur knapp 20 Prozent des Energiekonsums. Im Verhältnis zu Deutschland (mehr als 25 Prozent) und dem hoch atomstromabhängigen Frankreich (mehr als 75 Prozent) ist das nicht viel. Die Branche will mehr. Sie will nicht nur die Laufzeit der alten AKWs verlängern, sondern ihren Park modernisieren und ihren Anteil an der Stromproduktion erhöhen. Interessiert an dem Milliardengeschäft in den USA ist auch die deutsch-französische Atomindustrie. Der European Pressurized Reactor, EPR, den Areva zusamen mit der deutschen Siemens entwickelt hat, ist für mehrere Standorte in den USA im Gespräch.

Die US-amerikanische Anti-AKW-Bewegung, die in den 70er-Jahren stark war und weltweit ausstrahlte, hat zuletzt viel von ihrer Militanz eingebüßt. Seit Präsident Obama seine atomaren Absichten angekündigt hat, haben tausende AtomkritikerInnen in die Tasten getippt, um Protestmails an das Weiße Haus zu schicken. Vielleicht ist auch das ein neuer Anfang.

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20 Kommentare

 / 
  • JS
    Johan Schreuder

    Erstaunlich jedes mal zu lesen wie viele menschen noch immer an der CO2 lüge glauben.

  • D
    Dagobert

    @ Sponti:

     

    Es gibt nur einen guten Grund, der FÜR Kernkraft spricht:

     

    Profit.

  • G
    GonZoo

    In Zukunft werde ich Barack Obama nur noch mit einem indianischen Namen betiteln: "Der Mann, der verschissen hat". Es ist ja nicht einfach, wenn man zum Messias gewählt wird und dann alle enttäuschen muß. Aber dabei den Lobbyisten in die Hände zu fallen, das muß auch nicht sein.

  • S
    Sponti

    Man kann diese Entscheidung nicht nur auf das Wirken von LobbyistInnen zurückzuführen - es gibt einfach viele Sachzwänge, die kaum Alternativen zur Kernkraft lassen. Nach dem Ende des Kalten Krieges, der Aufarbeitung der Unfälle in Harrisburg und Tschernobyl, in Anbetracht des Klimawandels, der Alterung des Kraftwerksparks in den Industrieländern und dem steigenden Energiebedarf in den Schwellenländern findet immer mehr ein Umdenken statt. Pro Kernkraft ist sogar der Greenpeace-Mitgründer Patrick Moore vor dem US-Kongressausschuss aufgetreten. Die Bürgschaft ist sogar verhältnismäßig niedrig, kostet ein einziges Kernkraftwerk doch schon ca. 5 Mrd. Euro, und der deutsche Stromverbraucher zahlt lt. Umwelt-Bundesamt jährlich 8,5 Mrd Euro Netto-Aufpreis für die Einspeisung erneuerbarer Energien.

  • W
    Wolpensinger

    Es sind nicht ca. 20% des Energiekonsums, sondern 20 des Strombedarfs (letzter Absatz). Der AtomenENERGIEanteil liegt bei knapp 10% in Deutschland. Und nur unter 3% der weltweiten CO2-Emissionen werden durch rund 420 AKWs weltweit vermieden. Klimaschutz ist mit AKWs nicht zu schaffen. Es liefert allerdings atomwaffenfähiges Uran.

  • U
    Unbequemer

    Die TAZ sollte sich mal überlegen, ob sie nicht offiziell die Wandlung von einer Zeitung zu einer Partei vollzieht. Aufgabe eier unabhängigen Zeitung ist es, neutral zu berichten. Wenn man das Gefühl hat, daß die Zeitung am liebsten selbst das Ruder in die Hand nehmen wollte, dann ist das kein gutes Zeichen.

  • G
    grifter

    Selbst dieser richtige und notwendige Schritt wird das

    Obama-Regime nicht vor seiner Erosion retten. Und das

    ist gut für die USA und die westliche Welt.

  • JS
    johan Schreuder

    yes we can but......we won't

  • G
    Grünstrom

    Solange mir die Atomlobby nicht glaubhaft versichert, wo sie den strahlenden Müll dauerhaft entsorgen will und solange auch nur das allergeringste Restrisiko für einen GAU besteht, solange halte ich diese Technologie für unverantwortlich und höchst kriminell den kommenden Generationen gegenüber!

    Obama entpuppt sich in jeder Hinsicht als ein Bush_2.0 mit zahlreichen Kriegs- und Industrielobbyisten-Upgrades!

  • V
    vic

    "sichere, saubere Atomkraftwerke"

    Obama sollte ob der Risiken des Umgangs mit Kernenergie wissen.

    AKWs sind schnell gebaut aber nicht wieder loszukriegen. Hat sich was mit sauber und sicher.

    Er ist eben auch nur ein Hampelmann von Rüstungs, Energie und Bank Gewerbe.

  • IB
    Ich bin der Ich bin

    Habt Euch nicht so. Der Blender Obama will doch nur unser Klima retten, dieser edle Mann. Ich meine, den armen Blender wurde von der bösen Merkel gesagt, er soll doch in seinem Land weniger CO2 produzieren.

    Daher hat er, wenn er ihn noch nicht hätte, den Friedensnobelpreis verdient.

     

    Ach das Problem der Endlagerung? Ganz einfach, da es weltweit noch kein sicheres Endlager gibt und es auch nie geben wird, sammeln wir den Atommüll, bestücken damit eine Rakete und schießen diese in die Sonne.

    Da vertrau ich ganz der technischen Überlegenheit der USA. Schließlich klappen auch fast alle Raketenstarts....

  • L
    LuMi

    Sind es nun 54 Milliarden oder Millionen?

     

    HIER ist die Rede von Millionen was ein kleiner aber feiner Unterschied wäre...

    -> http://www.taz.de/1/politik/amerika/artikel/1/obama-tritt-waehlern-ins-gesicht/

     

    allerdings war es absehbar das sich bald wieder ein westl. Heini von den vermeintlich guten KLimaaspekten neuer AKW´s blenden lässt.

    Ein trauriger Tag für die Erneuerbaren.

  • T
    thiotrix

    Tolle Nachricht – da wird mir Obama ja richtig sympathisch!...

     

    ...aber kaum ein anderes Land geht verschwenderischer mit Energie um als die Vereinigten Staaten: der pro-Kopf-Ausstoß von CO2 pro Einwohner liegt in den USA bei mindestens 20 t pro Jahr, Tendenz steigend, in Deutschland bei 10 t pro Jahr, Tendenz seit Jahrzehnten fallend. Die beste Energiequelle für die USA wäre Sparen: sparsamere Autos, bessere Isolierung von Millionen Häusern, effizientere Kraftwerke und ein modernisiertes Stromnetz. Leider sieht es nicht danach aus, daß unsere amerikanischen Freunde bereit sind, mehr Energieeffizienz zu wagen. Statt dessen wird immer nur mehr Energieverbraucht und verschwendet.

    Der Neubau ist allerdings eine wundervolle Nachricht und zeigt wieder einmal, wie sehr andere Länder auf Kernenergie setzen. Nur in Deutschland haben die rot-grünen Geisterfahrer einer sauberen, sicheren und zuverlässigen Energie mit fast religiöser Inbrunst den Kampf angesagt, gegen jede wirtschaftliche Vernunft. „Armes verwirrtes Volk!“.

     

    PS. In den USA haben bereits 54 der 104 KKW-Blöcke in den USA eine Bewilligung über 60 Jahre Laufzeit. 12 weitere Anträge auf Laufzeitverlängerung sind eingereicht. Und was wollen unsere rot-grünen Spitzenkönner: Z. B. Biblis A 1167 MW und Biblis B 1240 MW sollen nach 32 Jahren Betriebszeit abgeschaltet werden!

  • WM
    Wieder mal falsch!

    Wieder mal falsch ist die Behauptung:

    "... decken AKWs heute in den USA nur knapp 20 Prozent des Energiekonsums. Im Verhältnis zu Deutschland (mehr als 25 Prozent) und dem hoch atomstromabhängigen Frankreich (mehr als 75 Prozent) ist das nicht viel."

     

    Diese Zahlen beziehen sich nicht auf den "Energiekonsum" , sondern auf den Verbrauch an Strom (elektrischer Energie). Der "Stromverbrauch" liegt in Deutschland und anederen Ländern bei ca. 20% des gesamten "Eneriekonsums". Für Deutschland decken daher KKWs nur 25% von 20% = 5% des Endenergieverbrauchs.

     

    Dass sogar die grüne TAZ hier auf die KKW-Propaganda hereinfällt ist schon traurig ...

  • S
    Simpsonsfan

    So bleibt Homer Simpsons' Arbeitsplatz wenigstens erhalten....

  • PP
    Peter Peterson

    Kann man dem guten Herrn nicht den Nobell-Preis wieder entziehen?

     

    Ich finde seine (im Vergleich zu den Erwartungen) sehr zage Politik wird immer abstruser... Schade!

  • AL
    Anna Luehse

    taz: "Die Eiszeit für die Atomindustrie in den USA ist beendet. So zumindest sieht es aus."

     

    Kommt auf die Perspektive an. ;-)

     

    " (...) Amerikanische Journalisten beschrieben die Kälte im Osten des Landes als "Vorgeschmack auf die nächste Eiszeit". Frost bis minus 50 Grad und Schnee bis sechs Meter Höhe verwandelten große Teile der Vereinigten Staaten in eine Polarlandschaft.

    Unter diesen Vorzeichen gewinnt eine Klimastudie des amerikanischen Geheimdienstes CIA höchste Aktualität. Die Verfasser der Studie sehen als Folge schon soziale Unruhen, ein Abwandern aus Notstandsgebieten und politische Krisen. ...

    Die Klimaveränderung, so befürchtet es auch der amerikanische Chemiker und Nobelpreisträger Linus Pauling, könne "in eine globale Katastrophe münden", in den bisher härtesten Test für die Zivilisation. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.2.1977) ... "

     

    Fundort:

    http://www.welt.de/die-welt/vermischtes/article5494977/

    Als-die-Eiszeit-drohte.html

     

    Jetzt mal ernsthaft: Die Großindustrie holt sich Subventionen da, wo die Töpfe am fettesten sind. Solar-Atom-Kohleindustrie gehören denselben Multis, die climatex kontrollieren; die fetteste Knete gibt's beim "Klimaschutz". Pachauri ist kein kleinindustrieller Ökofreak, sondern ganz normaler Milliardär. Kollege Soros hat 100.000.000US$ investiert, war in der taz zu lesen. Überraschung: Er erwartet fette Rendite. Sagt er selbst. Pachauri ist der Lüge überführt.

  • D
    Deutschbelgier

    Die Fakten sind eindeutig, Kernenergie ist CO2arm, sicher und günstig.

     

    Leider wird die Energiediskussion in Deutschland nicht nach faktischen Gesichtspunkten sondern nach ideologischen geführt. Grüne und Linke ignonieren schlichtweg Fakten und Tatsachen.

     

    Schade, Deutschland verspielt mal wieder viele Chancen.

  • LV
    Lothar von der Ems

    War es das schon? Ist das der versprochene "change"? Ist dies das neue Amerika? Ein strahlendes Land - und alles gegen die Erderwärmung, für die Umwelt, claro?!

    Irgendwie hatte ich es schon bei der Wahl gespürt: viel heiße Luft. Amis ticken eben anders als Europäer. Yes we can - oder wie Edel-Ötti sagen würde: Jäswii can.

     

    McCain war authentisch, schlicht ehrlicher!

  • JB
    Joachim Bovier

    Ausgesprochen köstlich, wie Präsident Obama, dieser Messias aller Linksintelektuellen den grünen Ökospinnern ihre Weltfremdheit vorführt. Die werden daran kräftig zu schlucken haben, es wird amüsant werden den nun einsetzenden Abkehrprozess zu beobachten, ob nun von Obama oder der Anti-KKW Bewegung.