piwik no script img

Archiv-Artikel

„500 Euro sind adäquat“

Das Verbot allgemeiner Studiengebühren muss kippen, fordert Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos). Die Höhe der Abgabe will er den Hochschulen selbst überlassen. Studienplatzabbau wird erst 2009 überprüft

„Ich halte langfristig eine Gebührenhöhe von 2.500 Euro im Jahr für berechtigt“

Interview: Eva Weikert

taz: Die Uni fordert vom Senat finanzpolitische Prioritäten zugunsten der Hochschulen, sodass deren Unterausstattung behoben würde. Wird dieser Wunsch erfüllt?

Jörg Dräger: Das haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode getan, etwa durch Budgetkonstanz und erhebliche Investitionen in Sanierungen. Die Budgetkonstanz gilt bis Ende 2005, dann müssen wir neu verhandeln. Das Problem aber der Unterausstattung ist durch die Empfehlungen der Dohnanyi-Kommission und die Leitlinien-Entscheidungen des Senats in Angriff genommen. Die sehen vor, die Unterausstattung durch strukturelle Schritte zu beheben.

Es gibt also nicht mehr Geld?

Dräger: Es gibt politische Aussagen, die dem Segment Wissenschaft eine Priorität einräumen. Wenn im Herbst die Haushaltsverhandlungen geführt werden, werde ich dafür eintreten, dass ohne das Segment Wissenschaft die gesamte Idee der wachsenden Stadt nicht realisierbar ist.

Studierende schlagen eine Vermögenssteuer und eine höhere Unternehmensbesteuerung vor, um Bildung zu finanzieren.

Ich halte das für illusorisch. Eine Vermögenssteuer würde im Endeffekt eher zu einer Kapitalflucht und dann zu einer Senkung der Staatseinnahmen führen. Wichtiger ist es, neue Anreize für Wachstum zu schaffen, etwa durch Investionen in Bildung und Wissenschaft und durch eine flexiblere Arbeitsmarktpolitik.

Wegen des Sparzwangs baut die Uni massiv Fächer ab. Welche davon sind aus Ihrer Sicht zu schützen?

Das ist keine politische Entscheidung. Diese Frage kann die Uni selbst besser lösen. Es gibt aber einige wenige Schwerpunkte, die wir politisch definiert haben. Ein Beispiel ist die Orientierung nach China, die für die Stadt sehr wichtig ist. Wir erwarten, dass sich diese Schwerpunktsetzung auch an der Universität widerspiegelt. Ähnliches gilt auch für die Nanotechnologie und Life Sciences, wo die städtische und universitäre Schwerpunktsetzung verzahnt und abgestimmt sein sollte.

Es wird erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht demnächst allgemeine Studiengebühren zulässt. Wann führt Hamburg Gebühren ein und wie hoch werden sie sein?

Ich nehme an, dass Karlsruhe im Sommer oder Herbst entscheidet. Dann müssen sich die Länder bemühen, bundesweit möglichst einen ähnlichen Rahmen zu setzen. Der Zeitpunkt der Einführung, der in anderen Ländern diskutiert wird, liegt etwa im Herbst 2005. Ob das auch für Hamburg sinnvoll ist, wird man jetzt politisch diskutieren müssen. Die Höhe, die im Gespräch ist, liegt bei maximal 500 Euro pro Semester.

Ihr so genanntes Hamburger Modell käme also nicht?

Erstens trete ich dafür ein, dass die Hochschulen die Höhe der Gebühr selbst festlegen dürfen. Das Hamburger Modell sieht nur eine maximale Höhe vor, bis zu welcher der Staat ein Darlehen gewährt. Das sind 2.500 Euro. Ich halte auch langfristig eine solche Gebührenhöhe für berechtigt. Aber wenn man sich im Rahmen politischer Kompromisse zunächst auf maximal 1.000 Euro Jahresgebühr einigte, hielte ich das für absolut adäquat. Die Hochschulen sollen aber selbst entscheiden dürfen, ob sie diesen Rahmen ausschöpfen.

Wird es Darlehen geben?

Die muss es geben. Aus meiner Sicht wäre die ideale Lösung das elternunabhängige Darlehen für alle Studierfähigen. Wenn das aber finanziell nicht zu schaffen ist, muss man einen Kompromiss finden, so dass auf jeden Fall mindestens die sozial Bedürftigen ein Darlehen bekommen.

In Hamburg sollen bis 2009 weitere 15 Prozent der Studienplätze abgebaut werden. Schon jetzt weist die Uni bis zu 13.000 Bewerber pro Semester ab. Wegen des Abis nach Klasse Zwölf hat die Stadt zudem 2010 die doppelte Zahl an Abiturienten zu versorgen, 2011 werden in Niedersachsen zwei Jahrgänge zugleich fertig. Wie fangen Sie das auf?

Die Schulbehörde und die Wissenschaftsbehörde, aber auch die berufliche Bildung müssen sich auf ein Konzept darüber verständigen, wie diese Doppeljahrgänge versorgt und die Kapazitäten ausgeglichen werden können. Das werden wir angehen. Ich möchte aber betonen, dass sich der Effekt etwas über die Republik verteilt, da nur 50 Prozent der hiesigen Studierenden ein Hamburger Abi haben. Zweitens wird ein flexibles Bachelor-Master-System durch sein breites Angebot im ersten Studienjahr weniger Fachwechsler produzieren, so dass künftig weniger Anfängerplätze blockiert sind.

Warum haben Sie dann im vergangenen Jahr selbst mehr Studienplätze gefordert?

Ich habe gesagt, dass wir für eine wachsende Stadt mehr Hochschulabsolventen brauchen und das vertrete ich weiterhin. Aber wir müssen erst unsere Hausaufgaben machen, das ist die Strukturreform. Sonst haben wir nicht die Kraft und die finanziellen Ressourcen für mehr Studienplätze. Nachdem das Bachelor-Master-System etabliert ist, kann man in einem halben Jahrzehnt Bilanz ziehen und gegebenenfalls offensiv das Wachsen angehen.

An der Uni wurde seit Januar gegen Ihre Strukturreform gestreikt. Warum lehnen Sie es ab, mit der Streikzentrale zu reden?

Die Studentenschaft hat eine demokratisch legitimierte Vertretung, das ist der AStA und mit dem spreche ich. Der hat eine andere Meinung als wir, aber zwischen uns gibt es einen fairen Austausch. Beim Streikkomitee kann ich das nicht feststellen.