40 Jahre Protest der Aborigines: Die unbequeme Botschaft bleibt
Seit 40 Jahren fordern australische Ureinwohner mit einer kleinen Zeltstadt Souveränität. An ihrem Status einer diskriminierten Minderheit hat sich nicht viel verändert.
CANBERRA taz | "Uns war klar geworden, dass wir eine politische Vertretung brauchen, um überhaupt Gehör zu finden", erinnert sich Michael Anderson. Der Aktivist richtete mit Gleichgesinnten am 27. Januar vor 40 Jahren die "Aboriginal Tent Embassy" ein - eine bis heute existierende kleine Zeltstadt am alten Parlament in Canberra. Die "Botschaft" voller Transparente und Fahnen protestiert gegen die von der Regierung gebotenen befristeten Nutzungsrechte für Land, das Aborigines ohnehin als ihr Eigentum sehen.
Landrechte waren die Hauptforderung, die "bis heute nicht voll erfüllt wurde", sagt Jacqueline Phillips von der Organisation "Australians for Native Title and Reconciliation". "Doch heute steht die Zelt-Botschaft stärker für den Ruf nach Souveränität und stärkerer Einbeziehung der Betroffenen von Regierungsentscheidungen."
Menschenrechtler kritisieren seit Jahren die Bevormundung der Aborigines. Doch die wollen mehr: "Unser Ziel ist Souveränität - die haben wir bis heute nicht", so Anderson.
Zurzeit kritisieren sie das Regierungsprogramm "Stronger Futures in the Northern Territory". Das will abgelegene Gemeinden, in denen der Großteil der Aborigines lebt, mit besseren Diensten wie Gesundheit, Bildung und Polizei versorgen und dabei den staatlichen Einfluss ausweiten. Bezieher staatlicher Leistungen wurden zur Einkommensverwaltung verpflichtet, Pornografie und Alkohol dort verboten.
Für den Kriminologen Chris Cunneen ist das paternalistisch: "Dass Indigene auch Träger von Menschenrechten und Selbstbestimmung sind, wird vernachlässigt." Für das Programm wurde gar das Antidiskriminierungsgesetz ausgesetzt. "Aborigines werden noch immer als Minderheit gesehen, die diskriminiert werden kann."
Fehlgeleitete Assimilationspolitik
Aborigines sind überdurchschnittlich von Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Kindersterblichkeit und Suizid betroffen. Sie leben kürzer und haben schlechtere Bildungschancen als die Nachkommen europäischer Siedler. Die Ursachen sehen Sozialforscher vor allem in fehlgeleiteter Assimilationspolitik.
Die Versuche, Aborigines mit milliardenschweren Programmen aus Armut und Kriminalität zu heben, sind überwiegend gescheitert. Eines der dunkelsten Kapitel ist als "gestohlene Generationen" bekannt. Von 1910 bis 1970 wurden zehn Prozent der Ureinwohner-Kinder in Heime eingewiesen oder zur Adoption durch Weiße freigegeben, um sie deren Lebensweise anzupassen. 2008 entschuldigte sich der damalige Premier Kevin Rudd offiziell dafür.
In jüngerer Zeit "sehen wir zwar kleine Fortschritte bei Bildung, Lebenserwartung und Kindersterblichkeit. Die Lücke zwischen Indigenen und der Mehrheitsgesellschaft konnte aber noch lange nicht geschlossen werden", so Cunneen. Laut dem Aktivisten Anderson geht es seinem Volk heute sogar schlechter, "während Bergbaukonzerne mit staatlicher Hilfe Milliarden aus unserem Boden gewinnen".
Die Zelt-Botschaft wurde nie offiziell anerkannt. Doch nachdem alle Versuche scheiterten sie aufzulösen, wurde ihre Existenz akzeptiert. Am Nationalfeiertag am Donnerstag, den Aborigines "Invasionstag" nennen, protestierten 200 Botschafts-Unterstützer vor einem Restaurant in Canberra, in dem Premierministerin Julia Gillard und der konservative Oppositionsführer Tony Abbott saßen. Abbot hatte die Aborigines mit den Worten erzürnt, ihre Proteste seien nicht mehr relevant. Bei der Flucht verlor Gillard einen Schuh.
Die Botschaft diente oft als Begegnungstätte von Aktivisten und Politikern. 1995 nannte sie der National Heritage Trust den einzigen Ort, der Australiens Indigene in ihrem politischen Kampf repräsentiert. "Damit erkannte erstmals eine staatliche Einrichtung an, dass wir eine Legitimation haben", so Anderson.
Er fordert, seinem Volk endlich Selbstbestimmung zu ermöglichen. "Wir wollen einen Friedenspakt mit der Regierung, damit wir ein geeintes Australien werden." Ein Schritt dahin ist das von der Labor-Regierung geplante Verfassungsreferendum, um diskriminierende Passagen zu tilgen und die besondere Rolle der Aborigines in Australiens Geschichte anzuerkennen.
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