: 4 plus 2: Moskau sieht's anders
■ Die Rechte der Allierten in Deutschland bestehen, bis ein europäisches Sicherheitssystem entwickelt ist
Berlin (ap/taz) - Außenminister Genscher wurde gestern durch eine gezielte Veröffentlichung der Rede des sowjetischen Außenministers Schewardnadse bei den Vier-plus-zwei -Gesprächen in Bonn vom Sonntag korrigiert: Die Sowjetunion will die Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges in Bezug auf Deutschland als Ganzes nicht aufgeben, solange es keine einvernehmliche Regelung der außen- und sicherheitspolitischen Aspekte der deutsch-deutschen Vereinigung gibt. Das geht aus der am Montag von der sowjetischen Presseagentur 'Nowosti‘ veröffentlichten auszugsweisen Übersetzung der Rede von Außenminister Eduard Schewardnadse beim Sechsertreffen am Samstag in Bonn hervor.
Außenminister Genscher dagegen hatte am Montag in Bezugnahme auf Schewardnadses Rede etwas euphemistisch von einer „historischen Wende“ gesprochen, die darin bestehe, daß dem deutsch-deutschen Vereinigungsprozeß nun keine zeitlichen Grenzen mehr gesetzt seien. Vorsichtiger sind auch die Reaktionen aus Washington. Für die amerikanische Regierung könnte der Schewardnadse-Vorschlag ein Weg sein, die Kontrolle Deutschlands durch die Siegermächte festzuschreiben, hieß es am Montag in der Tageszeitung 'Washington Post‘. In der Praxis würde die Sichtweise Schewardnadses bedeuten, daß auch das vereinte Deutschland nur mit einer eingeschränkten Souveränität ausgestattet wäre, solange es keine Einigung über die Frage der Bündniszugehörigkeit gibt. Schewardnadse wurde dazu mit der Bemerkung zitiert, die Aufrechterhaltung der vierseitigen Rechte und Verantwortung sowie die Anwesenheit der alliierten Truppen in Deutschland für die Übergangsperiode werde auf den Prozeß der Herstellung der deutschen Einheit eine stabilisierende Wirkung haben. Das Ergebnis der Beratungen der sechs sollten laut dem sowjetischen Außenminister „die Aufstellung eines einheitlichen und geschlossenen Dokuments sein, das alle Aspekte der Regelung umfassen würde. Darin müßten die Bestimmungen über die Grenzen Deutschlands, sein militärpolitisches Statut, über die Kontinuität der Verpflichtungen über die Übergangsperiode und über den Aufenthalt der alliierten Truppen in Deutschland enthalten sein.
Schewardnadse wiederholte die Ablehnung der Nato -Mitgliedschaft Deutschlands. Die Blöcke müßten einer gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur weichen.
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