: 39 Verschwundene
VON BERND PICKERT
Für kurze Zeit tauchte ihr Name irgendwo auf, mal in einem Pressebericht, mal in einer Anklageschrift – doch dann verliert sich ihre Spur: Sie sind verschwunden. In einem gestern vorgestellten gemeinsamen Bericht listen sechs internationale Menschenrechtsorganisationen – darunter amnesty international und Human Rights Watch – 39 Personen auf, die im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ sicher oder wahrscheinlich in US-Gefangenschaft geraten sind, deren aktueller Verbleib allerdings völlig unklar ist.
Die AutorInnen des Berichts fassen all diese Fälle als „Enforced Disappearances“ zusammen, zu deutsch: Verschwindenlassen. Zum Beispiel Ali Abdul-Hamid al-Fakhiri. Die Menschenrechtsorganisationen zeichnen eine wahre Odyssee, auf die das mutmaßliche Mitglied der Libyschen Islamischen Kampfgruppe geschickt wurde. Al-Fakhiri soll im November 2001 in Pakistan festgenommen und den USA übergeben worden sein. Nach Aufenthalt im berüchtigten Lager Kandahar in Afghanistan soll er im Januar 2002 der CIA überstellt, dann auf das Kriegsschiff „USS Batan“ und schließlich nach Ägypten transportiert worden sein. Im Jahr 2003 wurde er in ein US-Geheimgefängnis in Afghanistan gebracht, wo er bis Ende desselben Jahres geblieben sein soll. Dann soll er 2005 oder 2006 nach einem Aufenthalt in einem CIA-Gefängnis in Polen nach Libyen überstellt worden sein. Manche vermuten den schwer an Tuberkulose erkrankten Mann derzeit in einem Gefängnis in Tripolis. Offizielle Angaben über seinen Verbleib gibt es nicht.
Al-Fakhiri gehört mit zwei weiteren Verschwundenen zur ersten von drei Kategorien von Fällen, die die Menschenrechtsorganisationen in ihrem Bericht auflisten – nämlich jenen, bei denen zumindest ihre Festnahme bzw. ihr Aufenthalt in US-Gewahrsam zu irgendeinem Zeitpunkt offiziell bestätigt worden ist. Bei der zweiten und dritten Personengruppe handelt es sich um je 18 Menschen, bei denen es zahlreiche bzw. einige Anhaltspunkte gibt, dass sie sich in US-Gefangenschaft befinden.
Unter den Namen sind auch einige bekannte: Chalid al-Sawahiri etwa, der im Februar 2004 in Pakistan gefangengenommen wurde, soll der Sohn von Aiman al-Sawahiri sein, der als enger Berater Ussama Bin Ladens in zahlreichen Al-Qaida-Videos auftaucht. Der Ägypter Mohammed Omar Abdel-Rahman ist der Sohn von Omar Abdel-Rahman, bekannt als „der blinde Scheich“. Er wurde im Februar 2003 in Pakistan gefangengenommen. Seine Aussagen gegenüber US-Ermittlern sollen zur Festnahme des angeblichen „Masterminds“ der Anschläge vom 11. September 2001, Chalid Scheich Mohammed, geführt haben – doch wo Abdel-Rahman selbst jetzt ist, ist nicht bekannt. Selbst zwei seiner Söhne im Kindesalter von damals sieben und neun Jahren wurden dem Bericht zufolge 2002 gefangengenommen, einige Monate, bevor Chalid Scheich Mohammed selbst inhaftiert wurde. Später wurden sie von CIA-Psychologen verhört, um Informationen über ihren Vater zu bekommen.
Chalid Scheich Mohammed war einer der 14 mutmaßlich hochrangigen Al-Qaida-Gefangenen, die die US-Regierung im September vergangenen Jahres nach Guantánamo überstellt und damit gleichzeitig die bis dahin stets geleugnete Existenz eines Netzwerkes von CIA-Geheimgefängnissen in verschiedenen Ländern der Erde öffentlich zugegeben hatte. Die Gefängnisse seien nun leer, verkündete US-Präsident Bush damals, schloss aber nicht aus, das System sofort wieder zu benutzen, sollte es notwendig sein.
Dass die USA ohne jegliche juristische oder parlamentarische Kontrolle Geheimgefängnisse unterhalten und Gefangene durch die Welt jetten, hatte weltweit für Empörung gesorgt.
Der Bericht online: www.amnesty.de