: 35-Stunden: nicht genug
■ Die IG Metall überdenkt ihre Tarifpolitik
Die 35-Stunden-Woche habe nach wie vor Priorität, solange sie nicht durchgesetzt ist, meinte in dieser Woche der IG -Metaller Klaus Zwickel und kündigte eine Initiative für einen gemeinsamen Entgelttarifvertrag für Arbeiter und Angestellte an. Was aber soll geschehen, wenn die 35-Stunden -Woche verwirklicht ist? Wird es dann keine Arbeitslosigkeit, keinen übermäßigen Streß mehr geben? Werden die Menschen in Freizeit schwimmen? Davon kann niemand ausgehen.
Die Äußerungen Zwickels können als Ankündigung eines prinzipiellen tarifpolitischen Prioritätenwechsels mißverstanden werden. Dies ist angesichts anderer ungelöster Probleme durchaus verständlich. Auf der anderen Seite wird es eine Politik der Umverteilung von Arbeit zugunsten der Arbeitslosen, der Gleichverteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern ohne weitere Arbeitszeitverkürzung nicht geben können.
Die Frage ist, ob Arbeitszeitverkürzung immer nur auf die gleiche lineare Weise umgesetzt werden muß. Hier ist die Diskussion in den Gewerkschaften inzwischen offener für die Vielfalt von Möglichkeiten geworden. Die Debatte über die zukünftige Arbeitszeitpolitik der Gewerkschaften wird spätestens Anfang der 90er Jahre geführt werden müssen. Bis dahin gibt es zwar Raum für andere tarifpolitische Initiativen. Aber eine neue Strategie ergibt das noch nicht.
Martin Kempe
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen