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Archiv-Artikel

35 Milliarden für Bus und Bahn

Verkehrsverbände und Kommunen wünschen sich, dass Bund und Länder für den öffentlichen Nahverkehr viel, viel Geld ausgeben. „Nur für das Allernotwendigste“

BERLIN taz ■ Verkehrsverbände und Kommunen in Deutschland haben Bund und Länder vorsorglich vor Mittelkürzungen beim öffentlichen Personennahverkehr gewarnt. In den Nahverkehr müssten in den nächsten zehn Jahren 35 Milliarden Euro investiert werden. Das schließt die Kommunale und Verkehrslobby aus einer Studie, die sie bei der „Gesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen“ in Auftrag gab und gestern in Berlin vorstellte.

Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, dem Deutschen Städtetag und anderen Kommunal- und Verkehrsverbänden entfallen 40 Prozent der geforderten Investitionssumme auf den Kauf neuer Fahrzeuge, weitere 60 Prozent sei für den Ausbau der Infrastruktur nötig. Allein in Städten müssten 560 Kilometer neue Strecken für Bahnen und über 4.300 moderne, barrierefreie Haltestellen gebaut werden. Der Vizepräsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, Dieter Ludwig, meinte: „35 Milliarden Euro sind nur das Allernotwendigste.“

Noch ist es um den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland durch die Ausgaben der letzten Jahre relativ gut bestellt. Denn der Bund hatte Investitionen bislang mit 60 Prozent bezuschusst, die Länder mit 25 Prozent. 15 Prozent der Investitionskosten tragen die Kommunen plus diverse Ausgaben für Planung und Statik. Angesichts der Kürzungen im Verkehrsetat des Bundes und der leeren Kassen der Gemeinden fürchtet Ludwig, „dass der heute noch blühende Nahverkehr systematisch verrottet“. Die Kunden finanzieren mit Tickets den Betrieb zu drei Vierteln.

Die Fahrgastzahlen sind seit 1994 um ein Zehntel gestiegen, auf inzwischen 10 Milliarden im Jahr. „Der öffentliche Nahverkehr in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Verkehrslobbyist Ludwig, „darum beneiden uns viele im Ausland.“ Nach Aussagen des Verbandes sind die Zuwachsraten im öffentlichen Nahverkehr seit 1999 größer als die im Pkw-Verkehr.

Auch wenn sich der öffentliche Nahverkehr zunehmend dem Wettbewerb stellen müsse, werde er nie ganz kostendeckend arbeiten können, so Ludwig. Die Experten von den unterirdischen Verkehrsanlagen kommen zu dem Schluss, dass der Nahverkehr noch mehr Kunden gewinnen könnte. Jeder dritte Nicht-Kunde sei bereit, bei attraktiveren Angeboten wie Jobticket und besserer Vertaktung in die Öffentlichen umzusteigen. Die schwachen Geburtenraten machen den Verkehrsexperten keine Sorgen: Es gebe immer mehr Alte, die Seniorentickets kaufen.

Ein Wermutstropfen freilich fiel in die Mitteilung. Für einen Teil der Bevölkerung seien solche Fragen völlig uninteressant. Denn jeder dritte Nichtkunde fahre „aus Überzeugung“ nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr. BEATE STRENGE