: 27% für Kommunisten, Grüne und Spinner
Unaufhaltsamer Aufstieg einer links-unabhängigen Betriebsratsliste bei der Frankfurter Hoechst AG ■ I N T E R V I E W
Hans-Werner Krauss, 46, ist Sprecher der Betriebsratsliste „Kollegen für eine durchschaubare Betriebsarbeit“, die bei den diesjährigen Betriebsratswahlen in der Hoechst AG 12 von 43 Sitzen in der Arbeitnehmervertretung errang - zum Ärger vor allem der konservativen IG Chemie, die mit den Mitteln des Gewerkschaftsausschlusses einzelner Mitglieder schon seit Jahren gegen die linke Konkurrenz zu Felde zieht.
taz: Worauf führen Sie Ihren Erfolg zurück?
Hans-Werner Krauss: Der Erfolg liegt darin, daß wir kontinuierlich seit neun Jahren intensive Öffentlichkeitsarbeit machen. Den Schub jetzt gab es, weil wir zum ersten Mal für eine relevante Belegschaftsgruppe klare Erfolge vorweisen konnten. Das betrifft zwar zunächst nur die Schichtarbeiter, aber es ist ein Symbol für unsere Arbeit. Auch andere erkennen, daß „die Spinner“, als die wir lange betrachtet wurden, tatsächlich etwas erreichen können.
Was ist Ihre Kritik an der IG Chemie?
Vor allem dieser unterwürfige Sozialpartnerschaftskurs, den der Vorsitzende Hermann Rappe in der IG Chemie erzwungen hat und der sich im Betriebsrat fortsetzt. In unserer Belegschaft wird der Betriebsrat wirklich als eine Unterabteilung der Personalabteilung betrachtet. Diese Linie wollen wir eigentlich schon seit 1971 nicht mehr mitmachen. 1975 wurde ein Teil der kritischen Kollegen aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. 1981 gab es dann zum ersten Mal eine alternative Kandidatur unserer Gruppe zur Betriebsratswahl. Daß wir damals in diesem konservativen Bereich - als Kommunisten, Grüne, Spinner verschrien - aus dem Stand 15 Prozent der Stimmen bekommen haben, war die eigentliche Sensation. Jetzt, neun Jahre später, sind wir bei 27 Prozent - 18 bei den Angestellten, 35 bei den Arbeitern. Bei den Schichtarbeitern sind es sogar 60 Prozent.
Hat sich aus Ihrem jüngsten Wahlerfolg eine Veränderung des Verhältnisses zur IG Chemie ergeben?
Nein, ich glaube, es bleibt eine ausgesprochene Gegnerschaft. Die IG Chemie setzt voll auf Koalition mit der DAG, obwohl die meisten auf unserer Liste Mitglieder der IG Chemie sind.
Was halten Sie von dem neuen „Entgelt-Tarif“, den die IG Chemie als Ersatz für die früheren Lohn- und Gehaltstarife ausgehandelt hat?
Insgesamt hat diese neue Regelung für bestimmte Facharbeitergruppen, vor allem in Klein- und Mittelbetrieben, erhebliche Verbesserungen gebracht. Bei Hoechst ist der Entgelt-Tarifvertrag im wesentlichen dazu benutzt worden, das bisherige Lohn- und Gehaltsniveau zu verschlechtern.
Engagieren Sie sich eigentlich auch in ökologischen Fragen?
Wir sind eine Gruppe, die auf gewerkschaftliche Gegenmacht setzt. Aber es gibt in bezug auf Hoechst ökologische Themen, zu denen wir nicht schweigen können. Etwa in der Frage FCKW. Wir haben kurz vor der Wahl gefordert, daß die FCKW -Produktion von Hoechst sofort stillgelegt wird. Zum eigenen Erstaunen stellten wir auf Betriebsversammlungen fest, daß wir dafür breite Unterstützung in der Belegschaft fanden, was die Unternehmensleitung wie die IG Chemie und die DAG aufs äußerste erschreckt hat.
Interview: Reinhard Mohr
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