piwik no script img

25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention„Kindeswohl muss Vorrang haben“

Vor 25 Jahren wurde die UN-Konvention beschlossen. Die Grüne Franziska Brantner über die fehlende Verankerung im Grundgesetz und wieso sie das ändern will.

Kinder auf dem Spielplatz. Bild: dpa
Interview von Laura Backes

taz: Frau Brantner, vor 25 Jahren beschloss die UNO die Kinderrechtskonvention. Ist sie nicht genauso machtlos wie die Menschenrechtskonvention – weil alle Staaten unterschreiben, sich aber keiner daran hält?

Franziska Brantner: Ich würde in diesem Zusammenhang nie den Begriff machtlos verwenden. Bei politischen Diskussionen kann man sich immer auf sie berufen. Die Frage ist, inwieweit sie rechtlich wirklich durchgesetzt werden. Bei den Menschenrechten ist das genauso. Es ist ein langer Prozess, und man braucht Mehrheiten auf nationaler Ebene, um die Einklagbarkeit dieser Rechte voranzubringen.

Erst seit 2010 ist aus den Kinderrechten ein einfaches Gesetz ohne Vorbehalte geworden.

Ich finde es peinlich, dass es 20 Jahre gedauert hat.

Vielen Kinderschutzorganisationen reicht das nicht. Sie fordern, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

Genau. Denn dann kann man in einzelnen Gesetzen auf den Vorrang des Kindeswohls pochen: zum Beispiel im Baurecht oder in der Stadtplanung. In Schleswig-Holstein steht in der Gemeindeordnung, dass es eine Beteiligung von Kindern geben muss, wenn sie von Vorhaben betroffen sind. Es darf nicht vom guten Willen der Beteiligten abhängen, ob das Kindeswohl gefördert wird.

Wieso ist das bis heute nicht geschehen?

Weil eine Partei, die CDU, sich sperrt. Die SPD ist da nicht das Hindernis. Ich glaube, viele haben Angst, das Kindeswohl dem Elternrecht voranzustellen, wenn es um die Beziehung zwischen Kindern und Eltern geht. Weil „die Eltern am Ende doch besser wissen, was gut fürs Kind ist“. Das hat was mit tradierten Familienbildern zu tun. Dabei geht es nicht darum, immer alles umzusetzen, was ein Kind will, sondern auch gegen andere durchzusetzen, was seinem Wohl dient.

Gleichzeitig hat man das Grundrecht auf Asyl eingeschränkt. Ist es leichter …

… etwas Altes zu schwächen, als was Neues zu stärken? Ja! Das habe ich mich schon mehrfach gefragt. Ich finde das bedenklich. Bei den Frauenrechten hat sich ja in der Verfassung vieles zum Guten verändert, aber dass wir es nicht schaffen, die Kinderrechte hier zu verankern, ist wirklich eine Schande.

Wo werden in Deutschland Kinderrechte missachtet?

Ich finde es unerträglich, dass in einem so reichen Land wie Deutschland die Kinderarmut steigt. Obwohl eine Auswertung der familienpolitischen Leistungen gezeigt hat, dass es Reformbedarf gibt. Die Große Koalition geht das Thema Kinderarmut überhaupt nicht an.

Was muss auf internationaler Ebene geschehen?

In der UNO steht eine Bewertung der Millenniumsziele an. Die letzten Ziele waren stark auf Kinder ausgelegt, da ging es um Kindersterblichkeit, um Bildung von Kindern. Das hat Kinder auf der ganzen Welt gestärkt. Wir fürchten, dass dieser Fokus in den neuen Zielen verloren geht. Bei der Kinderrechtskonvention müssen die Einklagemöglichkeiten beim Kinderrechtsausschuss verstärkt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Ich glaube, viele haben Angst, das Kindeswohl dem Elternrecht voranzustellen, wenn es um die Beziehung zwischen Kindern und Eltern geht. "

     

    Ich halte diese Einschätzung für durchaus berechtigt. Besonders wenn es um finanziel schlechter gestellte Familien geht wird es in Zukunft mehr Bevormundung und Demütigung von staatlicher Seite geben. In Zeiten von steigender Kinderarmut wird nicht die Armut und ihre Folgen sondern werden die Armen bekämpft. Thomas Malthus erlebt erneut seine Wiederauferstehung.

     

    "Weil die Eltern am Ende doch besser wissen, was gut fürs Kind ist."

     

    Wer sich anmaßt besser zu wissen was für das Kind von Anderen am Besten sei, dem ist aber heftig zu misstrauen. Fast 100% aller Eltern sind der Ansicht,

    dass sie die Experten für ihr Kind sind und die meisten liegen in ihrer Einschätzung (besonders bei kleinen Kindern) richtig.

     

    "Das hat was mit tradierten Familienbildern zu tun."

     

    Das hat was mit Familienleben zu tun. So ein Quatsch, glauben Sie wirklich dass zum Beispiel Regenbogenfamilien ihre Kinder eher der Heimfürsorge überlassen.

     

    "Dabei geht es nicht darum, immer alles umzusetzen, was ein Kind will, sondern auch gegen andere durchzusetzen, was seinem Wohl dient. "

     

    Also doch - wir bestimmen was das Wohl des Kindes ist. Es geht nicht um den Kinderwillen und nicht um den Elternwillen. Schon irgendwie totalitär, oder wie soll man dies anders nennen ?