25 Jahre „Texte zur Kunst“: Glorreiche Entmystifizierer
Die Zeitschrift feiert mit einer Galakonferenz in Berlin ihren Geburtstag: Ihr stetes Bekenntnis zu Kritik und Theorie bliebt mitunter selbstreferentiell.
„Der versteinerte Diskurs der moralischen Imperative und Authentizitätspostulate hat die Linke und ihr Kulturverständnis gänzlich inakzeptabel werden lassen.“ Was der junge Kunsthistoriker Tom Holert 1992 in „Die verlorene Ästhetik der neuen Linken“ schrieb, war zwar nicht das Gründungsmanifest von Texte zur Kunst. Doch in dem heute noch lesenswerten Essay kommt einer der Antriebe der zwei Jahre zuvor gegründeten Zeitschrift zum Vorschein, die diesen Herbst ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiert.
TzK, wie die heute durchaus über Kunsthistorikerkreise hinaus bekannte Zeitschrift gern kultig abgekürzt wird, ist ein Beispiel für den Versuch, sich nach dem Epochenbruch 1989 neu zu orientieren. Auch ihre Macher trieb die Idee von der Ästhetik als Leitwissenschaft der Postmoderne, die der US-amerikanische Kunsttheoretiker W. J. T Mitchell von einer marginalen Position ins intellektuelle Zentrum aufsteigen sah. Holert, später Professor an der Kunstakademie Wien und heute ein wichtiger Interpret der zeitgenössischen Kunst, pries damals die „Ästhetik als Feind allen Herrschaftsdenkens und jeder instrumentellen Vernunft“.
Vor allem ging es den eigentlichen TzK-Gründern, dem Kunsthistoriker Stefan Germer, Jahrgang 1958, und der Politologin Isabelle Graw, Jahrgang 1962, darum, die betuliche Kunstgeschichte mit Hilfe der Social History, den Gender Studies, dem französischem Poststrukturalismus und der Psychoanalyse auf neue theoretische Füße zu stellen. Vorbild war October, womit die amerikanische Kunstkritikerin Rosalind Krauss 1976 ein progressives Organ für die Kritik zeitgenössischer Kunst und populärer Kultur geschaffen hatte, mit berühmten Kritikern und Akademikern wie Hal Foster oder Benjamin H. D. Buchloh als Autoren.
Demonstrativ trugen die TzK das Bekenntnis zu Kritik und Theorie vor sich her. „Feld“, „Kontext“ und „Institutionenkritik“ waren die Stichworte der Stunde. Der sperrige Furor der frühen Jahre gerann im Laufe der bislang 99 Ausgaben auch mal zur bleiernen Rhetorik. Bis heute kämpft TzK mit dem nicht ganz unbegründeten Vorbehalt, hier verständige sich eine tendenziell selbstreferenzielle Szene. Mit einer Auflage von rund 5.000 Exemplaren ist ihr Einfluss begrenzt. Weshalb sie ihre Jubiläumskonferenz an diesem Freitag in Berlin dem Thema „Kanon“ widmen.
Eines aber sind TzK: Kreuzungspunkt aller Diskurse zur visuellen Kultur. In einer Zeit, wo das Kunstsystem zu einem Derivat des globalisierten Turbokapitalismus geworden ist, ist das frühe Selbstverständnis ihrer Gründer von den „Entmystifizierern“ und „Transparenzmachern der Produktionsbedingungen“ von Kunst aktueller denn je.
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