20 Jahre Mauerfall: Kohl und Springer teilen sich Einheit

Die Adenauer-Stiftung und der Springer-Verlag feiern Bush senior, Gorbatschow und Altkanzler Kohl als Väter der deutschen Einheit. Interessanter als die Gäste sind aber diejenigen, die fehlen.

Außer eben ihm, Helmut Kohl, habe es damals fast niemanden mehr gegeben, der an die deutsche Einheit geglaubt hat. Bild: dpa

BERLIN taz | Was für ein Coup sollte das werden! Im Kampf um die geschichtliche Deutungshoheit hat die CDU mit Unterstützung des Springer-Verlages und der Konrad-Adenauer-Stiftung am Wochenende eine bedeutende Schlacht geschlagen.

20 Jahre nach dem Fall der Mauer traten die früheren Präsidenten der USA und der Sowjetunion, George Bush senior und Michail Gorbatschow, mit Altkanzler Helmut Kohl im Berliner Friedrichstadtpalast auf. Als Väter der deutschen Einheit wurden die drei gefeiert. Die Botschaft war klar: Ganz alleine haben sie die Wende herbeigeführt.

Bundespräsident Horst Köhler hielt die Laudatio. Im Publikum klatschten Angela Merkel, zahlreiche Minister und viele ausländische Gesandte. Interessanter als die Liste der Gäste aber waren diejenigen, die fehlten: Hans-Dietrich Genscher, seinerzeit Außenminister, war nicht gekommen. Sein Nachfolger Klaus Kinkel, dessen Verdienste um die deutsche Einheit bisher nicht so recht bekannt geworden sind, war der einzige anwesende Politiker von Rang, der nicht zur Union gehört. Abwesend war auch der Sozialdemokrat Walter Momper, damals Regierender Bürgermeister von Berlin.

Nicht einmal die Reihen der Union waren geschlossen. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker fehlte ebenso wie Wolfgang Schäuble, der den Einigungsvertrag ausgehandelt hatte. Die Gründe für die Abwesenheit sind nicht bekannt. Bekannt hingegen ist, dass beide wenig von Helmut Kohl halten. Bekannt ist auch, dass Genscher die Sicht von Kohl, der habe im Alleingang die Einheit herbeigezwungen, nicht teilt.

Der Altkanzler dürfte sie alle nicht vermisst haben. In seiner kurzen Ansprache, bei dem ihm sein angeschlagener Gesundheitszustand anzumerken war, betonte er, es habe ja damals fast niemanden mehr gegeben, der an die deutsche Einheit geglaubt habe. Außer eben ihm, Helmut Kohl. "Ich habe nichts Besseres, um stolz zu sein, als auf die deutsche Einheit stolz zu sein."

Fast konnte man den Eindruck gewinnen, als sei der Kanzler auch in der eigenen Partei völlig isoliert gewesen. Offenbar konnte er sich aber doch zumindest auf den Springer-Verlag verlassen, der gemeinsam mit der Adenauer-Stiftung das Fest organisiert hatte. Die drei Staatsmänner schauten am Vortag der Veranstaltung kurz in der Redaktion der Bild-Zeitung vorbei. Am nächsten Abend gab es im Verlagsgebäude ein festliches Essen für etwa 100 geladene Gäste, zu dem auch Guido Westerwelle kommen durfte.

Alles hätte so schön sein können. Aber irgendeinen Spielverderber gibt es immer. Dieses Mal übernahm diese Rolle Michail Gorbatschow. "Wir wollen uns zu dritt nicht die Verdienste der vorangegangenen Generationen zuschreiben." Er rühmte Willy Brandt und die Ostpolitik, und er meinte, auch die DDR habe einen Anteil an der Annäherung von Ost- und Westeuropa gehabt: "Über die DDR haben wir ein Fenster nach Deutschland geöffnet." Gorbatschow erwähnte seinen "guten Freund Hans-Dietrich Genscher". Außerdem erklärte er, auch die USA bräuchten eine Perestroika, einen gesellschaftlichen und politischen Wandel. Innerhalb weniger Minuten lieferte er so den Beweis dafür, dass historische und politische Debatten nicht einfach von Adenauer-Stiftung und Springer-Verlag feierlich für beendet erklärt werden können.

BETTINA GAUS

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