piwik no script img

■ 194 Länder treffen sich zum Welternährungsgipfel in RomHunger ist politisch gewollt

Die Gesandten zum 2. Welternährungsgipfel in Rom werden am Sonntag nicht einen Menschen mehr auf der Welt satt gemacht haben. Das Abschlußdokument des letzten UN-Gipfels in diesem Jahrhundert haben sie schon am ersten Tag verabschiedet. Es war erstmalig bereits Wochen vor der Konferenz fertig. Die Regierungsvertreter werden also in den nächsten Tagen sagen, was sie immer sagen. Genauso wie der Papst gestern zur Eröffnung: Der Hunger der wachsenden Weltbevölkerung dürfe nicht mit Geburtenkontrolle eingedämmt werden.

Damit hat der Mann sogar ausnahmsweise mal recht. Denn die geschätzten 840 Millionen Hungernden und Unterernährten weltweit hätten nicht eine Schale Reis oder ein Brot mehr am Tag, wenn es weniger Menschen gäbe.

Hunger ist ein politisches Problem. In Afghanistan hungern zwei Drittel der Bevölkerung ja nicht, weil der Boden nichts hergibt. Dann müßten auch die Tunesier hungern – das Land besteht zum Großteil aus Wüste und Steppe. Der tunesische Präsident Ben Ali hat aber, trotz diktatorischer Züge, ein Interesse daran, daß sein Volk satt ist. Die vollen Mägen halten ihn an der Macht und islamische Fundamentalisten fern. Umgekehrt funktioniert die Politik des Hungers genauso. Wer hungert und jede Kalorie in die Suche nach Nahrung stecken muß, organisiert sich nicht gegen die Herrschenden. Da brauchen wir nicht bis in die verwüsteten Länder Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas zu ziehen. Diese Politik des Mangels läßt sich täglich in Deutschland beobachten. In die Suppenküchen der Wohlfahrtsverbände strömen nicht mehr nur Obdachlose, sondern Langzeitarbeitslose und Schulkinder. Das kostenlose Mahl ist oft die erste Nahrung, die diese Kinder am Tag zu sich nehmen.

Die Bundesregierung interessiert das nicht. Sie hat sich zwar vergeblich dagegen gewehrt, daß das Grundrecht auf Nahrung in die UN-Resolution aufgenommen wird. Solange es jedoch nicht in nationales Recht umgesetzt ist, ändert die Floskel nichts. Die Bundesregierung setzt weiter auf die technische Lösung. Sie fordert, die landwirtschaftliche Produktion durch Gentechnik zu steigern. Das ändert an den Hungernden in Deutschland nichts. Oder will jemand behaupten, hier gebe es zuwenig Nahrungsmittel? Ulrike Fokken

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen