18 Milliarden für Commerzbank: Die private Staatsbank
Mit der Beteiligung des Bundes an der Commerzbank werden die Steuerzahler unfreiwillig Bankbesitzer. Die Verstaatlichung stößt bei Linken auf Skepsis.
31. August: Die Allianz verkauft die Dresdner Bank für 9,8 Milliarden Euro an die Commerzbank.
19. September: Die Hoffnung auf eine Auffanglösung der US-Regierung für angeschlagene Banken entfacht an den Börsen ein Kursfeuerwerk. Auch die Commerzbank-Aktie macht einen Sprung von 17,4 Prozent auf 15,5 Euro.
8. Oktober: Die Aktie unterschreitet erstmals die 10-Euro-Marke.
3. November: Die Commerzbank schlüpft unter den Rettungsschirm des Bundes. Sie erhält eine Kapitalspritze von 8,2 Milliarden Euro als stille Einlage und Kreditgarantien über 15 Milliarden Euro.
5. November: Die EU-Kommission kündigt an, das Hilfspaket für die Commerzbank zu prüfen.
20. November: Der Finanztitel der Commerzbank fällt schließlich auf
25,40 Euro.
27. November: Die Commerzbank teilt mit, dass sie mit der Allianz vereinbart hat, den 40-prozentigen Restanteil an der Dresdner Bank bereits im Januar und nicht erst im zweiten Halbjahr 2009 zu übernehmen.
7. Januar 2009: Als erstes deutsches Geldinstitut gibt die Commerzbank eine Anleihe heraus, deren Tilgung vom staatlichen Sonderfonds Soffin garantiert wird.
8. Januar: Der Bund hilft der Commerzbank mit einer weiteren Eigenkapitalspritze in Höhe von 10 Milliarden Euro; dafür erhält der Staat einen Aktienanteil von 25,1 Prozent. An der Börse stürzt der Finanzwert daraufhin unter
5 Euro. AP
Der Bund übernimmt die Kontrolle bei der Commerzbank. Mit einem Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie hat der Staat ab sofort eine Sperrminorität. Seinen Einfluss will er künftig dadurch ausüben, dass er zwei Staatssekretäre in den Aufsichtsrat der zweitgrößten Bank des Landes entsendet - wer, das steht noch nicht fest. Der nahe liegende Kandidat, Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, hatte als ehemaliges Aufsichtratsmitglied der Pleitebank IKB reichlich Kritik einstecken müssen. Zudem sitzt er im Verwaltungsrat der Finanzmarktaufsichtsbehörde Bafin und müsste sich dann als Aufsichtsrat gewissermaßen selbst beaufsichtigen.
Den Eindruck einer Verstaatlichung der Commerzbank versucht man in Berlin zu vermeiden. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering betonte im ZDF, es handele sich keinesfalls um eine Teilverstaatlichung und die Bundesregierung werde "auf die Geschäfte keinen Einfluss nehmen". Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums führte aus: "Es wäre völlig fatal, wenn eine Regierung in solcher Situation versuchen würde, auf das operative Geschäft Einfluss zu nehmen." Selbst die Liberalen wiegeln ab. Der Steuerzahler gebe Geld, aber erhalte dafür auch ein Aktienpaket - laut FDP-Chef Guido Westerwelle ein "rein marktwirtschaftlicher" Vorgang.
Der staatliche Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) bewilligte am Donnerstag eine weitere Eigenkapitalspritze für die Commerzbank in Höhe von 10 Milliarden Euro. 8,2 Milliarden Euro davon werden in Form einer stillen Einlage gezahlt. Das sind Kapitaleinlagen ohne Mitspracherechte. Der Rest besteht aus neu ausgegebenen Aktien zu einem Preis von 6 Euro das Stück. Damit wird die vor gut vier Monaten vereinbarte Übernahme der Dresdner Bank, in deren Büchern offensichtlich zusätzliche Risiken auftauchen, durch die Commerzbank abgesichert. Offenbar findet die Regierung den Deal zur Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft im globalen Wettbewerb immer noch unterstützenswert.
Bereits im November hatte der Staat eine stille Einlage von ebenfalls 8,2 Milliarden Euro und dazu noch staatliche Garantien in Höhe von 15 Milliarden Euro genehmigt. Im Gegenzug musste sich die Bank verpflichten, 2008 und 2009 ihren Aktionären keine Dividende auszuzahlen, die Managergehälter zu deckeln und 2,5 Milliarden Euro an Krediten für den Mittelstand zur Verfügung zu stellen. Insgesamt hat der Bund jetzt 18,2 Milliarden Euro in die Commerzbank gesteckt. Dabei ist das Unternehmen an der Börse derzeit nur noch 3,8 Milliarden Euro wert.
Der Sprecher des Finanzministeriums versucht die Steuerzahler zu beruhigen, die sich jetzt unfreiwillig als Teilhaber einer Bank wiederfinden: Das Geld sei ja nicht verloren, "der Bund kann seine Beteiligung am Ende auch wieder mit Gewinn verkaufen". Dazu kommt, dass die Commerzbank für die stillen Einlagen auf Geheiß der EU Zinsen zahlen muss. Dem Soffin fließen so knapp 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu.
Und stehen die kapitalismuskritischen Linken in Deutschland mit der Teilverstaatlichung der ersten privaten Großbank in der Geschichte nun kurz vor dem Ziel? Unsinn, sagt Ulrich Maurer, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag: "Wenn der Staat das Vierfache des Unternehmenswerts bezahlt und dafür nur ein Viertel der Bank bekommt, dann ist das Verschleuderung von Staatsvermögen." Für ein vernünftiges Konjunkturprogramm seien dagegen angeblich keine ausreichenden Mittel vorhanden. Nur 25 Prozent zu übernehmen, sei überdies "ein Akt der Feigheit". Mit einem so geringen Anteil könne beispielsweise kein unmittelbarer Einfluss auf die Kreditvergabe ausgeübt werden. Dabei sei die Kreditklemme ein wesentlicher Grund für das Überschwappen der Krise vom Finanzsektor in die Realwirtschaft.
Alles andere als begeistert ist auch Detlev von Larcher, Mitglied des Koordinierungskreises von Attac: "Verstaatlichung allein hilft noch gar nichts." Nicht die Eigentümerfrage sei entscheidend, sondern die Frage, welche Politik die Eigentümer vertreten. "Begrüßenswert wäre eine Verstaatlichung dann, wenn dadurch sichergestellt wäre, dass ein vernünftiger Einfluss auf die Geschäftspolitik ausgeübt wird, beispielsweise in Hinsicht auf ökologische Kreditvergabekriterien", meint von Larcher. "Aber das lässt sich derzeit nicht beobachten." Attac fordert insbesondere , dass der Bund als größter Anteilseigner der Commerzbank für einen vollständigen Rückzug der Bank aus Steueroasen sorgen müsse. So habe die Bank Filialen unter anderem auf den Cayman-Inseln, in Singapur und in den europäischen Steueroasen Schweiz und Luxemburg. Gerade war auch bekannt geworden, dass die ebenfalls angeschlagene staatliche HSH Nordbank Niederlassungen in einer Vielzahl von Steuerparadiesen unterhält, darunter beispielsweise auch die Cayman- und die Marschallinseln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau