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■ Der deutsche Höhepunkt175 Jahre bestiegen

Im Jahre 1820, als die Alpinisten laufen lernten, sozusagen in der Steinzeit der Trenkers ff., da verbrachte ein bayerischer Bergsteiger eine recht frische Nacht in seinem Basislager und schrieb in sein Notizbuch: „Von einer Menge Flöhe dergestaltet gemartert, daß ich wachend am Feuer die halbe Nacht mit Tötung derselben zubringen mußte.“ Der Siegeszug des Tiroler Vermessungsoffiziers Joseph Naus war dennoch nicht aufzuhalten. Am 27. August erklomm er um „3/4 12 Uhr die höchste Spitze des noch von keinem Menschen bestiegenen Zugspitzes“. Das ist 175 Jahre her.

Einsam setzte er seinen Fuß dorthin, wo heute konkave Bäuche, überdralle Schenkel und amorphe Einkaufstaschen erhabene Gefühle im Keim ersticken. Rund 5.000 Gipfelhungrige pro Sommertag.

Joseph Naus war dagegen ein sanfter Tourist – er hatte nichts dabei als zwei Bedienstete namens Meier und Deuschl. Stille herrschte, wo heute die Schienen der Bergbahnen glühen.

Ach, hätte er es damals gewußt. Womöglich hat er es. Denn 1871, als Erstbezwinger Naus das Zeitliche segnete, war die Zugspitze schon im Mode gekommen. 1897 wurde kurz unterhalb des Gipfels das „Münchner Haus“ errichtet, 1926 die erste Seilschwebebahn. Naus hielt es wegen „Donnerwetter mit Schauer und Schneegestöber“ beim ersten Mal nur fünf Minuten auf dem Gipfel aus.

Streng genommen war es bereits 1923 vorbei mit der idyllischen Bergeinsamkeit. Schuld daran war Turnvater Jahn. Während des Deutschen Turnfestes stürmten die Massen zunächst nach München. Die bergwütigsten von ihnen, 20.000 immerhin, machten sich drei Tage lang wie ein Haufen Flöhe über die Zugspitze her. Gerd Michalek

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