■ 16 Tage vor der Wahl: Drohende Zukunft
Ach, was muß es uns schlecht gehen, daß wir uns so sehr auf das freuen, was nach dem großen Wahltag kommt. Daß die Ossis sich nach besseren Zeiten sehnen, sind wir ja gewöhnt, aber daß jetzt auch meine besten Freunde jammern und bierselig mit ihrem Schicksal hadern, da kann man schon ins Grübeln kommen. Hätte man doch seinen Notgroschen nicht versoffen, sondern in Dollars angelegt, eine rosige Zukunft würde anbrechen.
Nur die Wahlkämpfer haben unsere Stoßgebete erhört und bitten um unsere Stimme. Ihr Kampf um unsere Zukunft ist auf den Straßen voll entbrannt. Überall verkünden große Plakate, unser Heil sei nur noch ein Kreuz entfernt. Dennoch bleiben wir ratlos. Von wem wollen wir uns erretten lassen, bei all den verschiedenen Arten von Zukunft, die uns auf den Plakaten angepriesen werden?
Von Pandabär Eberhard vielleicht, schließlich geht es mit ihm „sicher in die Zukunft“. Aber ein Leben ohne Gefahren haben wir doch immer gescheut. Doch das Kreuz zwickt, unsere rebellischen Tage sind lange vorbei. Sind wir schon so alt geworden, daß wir uns von Schwester Ingrid mit „Ausbildung, Arbeitsplätze, Zukunft“ einlullen lassen?
Nein, verschlafen wollen wir die Zukunft nicht, schließlich ist sie rot, haben wir einst gelernt. Von der ganz schön roten Petra war da zwar nicht die Rede, aber so sind die Kommunisten: Gerade erst haben sie unser aller Zukunftsvisionen in den Sand gesetzt, und schon schreien sie wieder frech wie Oskar „Zukunft her“.
Nur die Ökos lassen uns in Zukunftsfragen mal wieder im Stich. Fortschrittsfeindlich, wie sie nun mal sind, warnen sie vor Luftschlössern. Die FDP jubelt kopfstehend „Willkommen Zukunft“ – wo doch nur ihr eigenes Ende droht.
Ja, es ist schon ein Kreuz mit der Zukunft. Aber Jammern hilft da auch nicht weiter, also Augen zu und durch: Mach dein Kreuz, und sei in der Zukunft froh, schließlich könnte es noch schlimmer kommen. Christoph Seils
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