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■ 1.200 Jahre Frankfurt: Der Kaiser von Japan war dabeiAlles ziemlich heilig

Frankfurt (taz) – Es war mehr wie Tokio als Frankfurt, in der U-Bahn und auf der Straße. JapanerInnen trafen sich, verbeugten sich und huschten weiter in Richtung Römerplatz. Denn schließlich kam ihr Kaiserpaar, um den 1.200sten Geburtstag der Stadt zu feiern und sich in das Goldene Buch einzutragen.

Kaiser Akihito, nach japanischem Glauben halb Mensch, halb Gott, sah überraschend normal aus: 60 Jahre alt, klein, graue Haare, ein bißchen zerbrechlich. Von einem Heiligenschein keine Spur. Ob die Göttlichkeit erst mit der Zeit sichtbar wird? Schließlich ist er noch nicht einmal vier Jahre im Amt. Sein Vater Hirohito herrschte dagegen fast 63 Jahre und war somit der dienstälteste noch regierende Monarch der Welt, als er 1989 starb.

Auf der anderen Seite hat sich Akihito gut auf seine göttliche Funktion vorbereitet. Im November 1990, ein paar Tage nach seiner Thronbesteigung, mußte er an dem daijo sai oder dem Großen Neuen Essen-Fest teilnehmen. Er aß heiligen Reis und legte sich auf ein Bett, das aus sechs tatami oder Strohmatten besteht. Dann gab er seinen Körper der Göttin der Sonne Amaterasu hin, der bedeutendsten Gottheit der Shinto-Religion. Er „schläft mit ihrem Geist und wird durch ihre Gebärmutter wiedergeboren“, wußte die britische Journalistin Lisa Martineau damals aus Tokio zu berichten.

Heutzutage, als Shinto-Priester Nummer eins, begeht der lebende Gott 20 fundamentale Riten pro Jahr. Trotzdem betont er: „Ich möchte als moderner Monarch leben.“ Im Vergleich zu seinen 124 Vorgängern tut er das auch wirklich. Seine erste Amtshandlung bestand zum Beispiel darin, die kaiserlichen Essensvorkoster zu entlassen. Er hat keine Angst davor, sich zu vergiften. Auch rät er seinem Chauffeur manchmal, an einer roten Ampel anzuhalten.

In Frankfurt gab er sich ganz als moderner Monarch und schien sogar lockerer als die meisten seiner Gastgeber, der Oberbürgermeister Andreas von Schoeler und die Großen und Guten aus Frankfurt und Hessen. Er und die Kaiserin Michiko plauderten länger als erwartet mit dem Kinderchor, der sie begrüßte. Interessiert begutachtete der Kaiser seine Umgebung, als von Schoeler das ihm gemäße Empfangszimmer, den Kaisersaal mit der kompletten Reihe 52 deutscher Kaiser-Porträts, beschrieb. „Seit vielen Jahrzehnten ist der Besuch seiner Majestät der erste kaiserliche Besuch in unserer Stadt“, sagte von Schoeler mit leichtem Bedauern.

Als sich das Paar in das Goldene Buch eintrug, versuchten die Gastgeber etwas Interessantes von sich zu geben. Doch die Stehparty barg noch problematischere Momente. Sollte man sich vor seiner Hoheit verbeugen? Wenigstens ein bißchen, dachten sich einige der anwesenden Herren und kramten ihren alten Diener heraus. Der Sushi sah sehr gut aus. Aber wie wird er gegessen? Manche Leute probierten es mit den wegwerfbaren Holzstäbchen, aber das war nicht so einfach. Wie bricht man sie nur auseinander, wenn die Hände voll mit Teller und Glas sind? Andere nahmen den Sushi einfach mit ihren Fingern; effektiv, aber für Japaner ein fundamentaler Stilbruch!

Die Japanische Gemeinde, die draußen auf ihren Kaiser wartete, war da schon besser vorbereitet. Alle japanischen Kinder hatten Fahnen, deutsche wie japanische – sehr diplomatisch –, obwohl die japanischen dreimal so groß waren. Ein Bad in der Menge des Kaiserpaares rief ein phantastisches Flaggengewedel hervor, dann kamen ihre Autos – sie brauchten nur 14 – an, und so verschwand der lebende Gott mit seiner Frau... zu seiner nächsten Reinkarnation, in Paris. Hugh Williamson

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