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Archiv-Artikel

nachgefragt 100 Tage CDU/FDP-Regierung in Niedersachsen

Marode Finanzen in Wulffs Revier

Von jox

Niedersachsens CDU/FDP-Landesregierung mit Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) an der Spitze ist heute exakt 100 Tage im Amt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) lege er mehr Wert auf die Substanz von Entscheidungen, als auf „die schnelle Schlagzeile“, lobte sich der Ministerpräsident über den grünen Klee. „Ein neuer Stil war mir wichtig.“ Ein Beispiel dafür sei die Krise der Meyer-Werft in Papenburg gewesen. „Wir haben mit dem Betriebsrat, dem Arbeitsamt und dem Unternehmen eine Lösung gefunden und 200 Arbeitsplätze gerettet, das aber nirgends an die große Glocke gehängt. Das ist mein Ding“, tönte Wulff.

Bei der Wirtschaft fällt das erste Urteil über die neue Regierung positiv aus. „Wir finden für unsere Anliegen in allen Ministerien offene Türen“, sagt Volker Müller, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände. Der DGB stimmt da zwar zu, Landesvorsitzender Hartmut Tölle verlangt aber, dass die Regierung aktiver werden müsse: „Vor allem beim Thema Jugendarbeitslosigkeit vermissen wir Kreativität und Tatendrang.“

Die Opposition aus SPD und Grünen sieht Niedersachsen auf dem Weg zurück in die fünfziger Jahre, vor allem wegen des radikalen Umbaus der Schullandschaft – die Konservativen haben eine strikte Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem durchgesetzt, neue Gesamtschulen werden nicht mehr genehmigt.

Die eigentliche Bewährungsprobe steht für die neue Regierung freilich noch aus: Wie können die maroden Finanzen des Landes Niedersachsen saniert werden? CDU und FDP setzen vor allem auf weiteren Personalabbau. 6.000 Stellen sollen in den nächsten fünf Jahren wegfallen, um die Personalkosten langfristig senken zu können. Dass diese Einsparungen zum Stopfen immer neuer Haushaltslöcher aber nicht ausreichen, ist allen klar. Seit Monaten lautet deswegen Wulffs Botschaft: Weitere harte Einschnitte stehen bevor, sämtliche Landesausgaben werden auf den Prüfstand gestellt.

Ex-Ministerpräsident Gabriel wirft der Landesregierung „erhebliche Fehler in der Finanzpolitik“ vor. Wulff verstehe zwar geschickt, seine Politik nach außen darzustellen. Die Beschlüsse der ersten 100 Tage würden den Landeshaushalt jedoch allein in den nächsten fünf Jahren mit einer weiteren Milliarde Euro belasten. „Da sind vor allem die im Wahlkampf versprochenen zusätzlichen 2500 Lehrerstellen, die auf Pump finanziert werden.“ Besonders ärgerlich sei, dass dafür an den Hochschulen radikal gekürzt werde. Gabriel warf der Regierung zudem vor, mit ihrer Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem „wesentliche Erkenntnisse internationaler Studien“ außer Acht zu lassen.

Die Grünen werfen dem Kabinett Konzeptlosigkeit beim Kernproblem Haushaltssanierung vor. „Finanzminister Möllring hat sich geschlagen gegeben, bevor er überhaupt angefangen hat“, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms. Blamabel sei auch die Bilanz der FDP, die sich bei der Verschärfung der Gesetze zur Inneren Sicherheit nicht gegen die Einschränkung von Bürgerrechten gewehrt habe. dpa/jox