10 Jahre Efimerida ton Syntakton: Wir standen vor dem Nichts

Die Selbstzensur in den griechischen Medien ist groß. Mitbegründerin Dina Daskalopoulou spricht über die Herausforderungen des unabhängigen Journalismus in Griechenland

"Wir hatten gerade mal genug Geld für ein paar Tage" erzählt Dina Daskalopoulou Bild: Donata Kindesperk

VON PASCAL BEUCKER

taz: Die Efimerida ton Syntakton, die „Zeitung der Redakteure“, feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Im November 2012 ist sie das erste Mal erschienen. Wie ist es dazu gekommen?

46 Jahre, ist Mitgründerin und Redakteurin der genossenschaftlich organisierten griechischen Tageszeitung Efimerida ton Syntakton.

Dina Daskalopoulou: Die meisten von uns, ich auch, haben früher für die Eleftherotypia gearbeitet. Das war einmal eine große renommierte linksliberale Tageszeitung. Doch 2011 ist sie pleite gegangen, wie viele Medien während der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland. Das war eine schreckliche Zeit. Wir waren unsere Jobs los und standen vor dem Nichts. Da haben wir uns nach langen Diskussionen entschieden, etwas Neues auszuprobieren: Wir machen jetzt unsere eigene Zeitung. So ist die Efimerida ton Syntakton entstanden.

Wie sind Sie damals darauf gekommen, die Zeitung als genossenschaftliches Projekt zu organisieren, getragen und finanziert von ihren Mitarbeiter:innen?

Zum einen erinnerten wir uns an die Anfänge der Eleftherotypia unmittelbar nach dem Ende der Obristendiktatur, als die Demokratie in Griechenland Einzug hielt. Denn die Eleftherotypia hat 1975 als kollektives Projekt von Journalistinnen und Journalisten begonnen. An diese Zeit, die leider nicht lange währte, wollten wir anknüpfen. Zum anderen haben wir gesehen, dass es in anderen Ländern erfolgreiche nicht konventionelle Zeitungsmodelle gibt, wie zum Beispiel Il Fatto Quotidiano in Italien oder gerade auch die taz in Deutschland. Wir wussten also, dass ein solches Experiment eine Überlebenschance hat.

Woher haben Sie das Geld für den Start bekommen?

Das kam von uns selbst. Jeder von uns hat 1.000 Euro in die Genossenschaft eingezahlt und für zwei Monate auf sein Gehalt verzichtet. Das war eine spannende und erstaunliche Zeit. Wir hatten gerade mal genug Geld für ein paar Tage. Wenn es nicht gut gelaufen wäre, hätten wir dann schon wieder dichtmachen müssen. Aber der Bedarf an kritischem Journalismus war so groß, dass wir es geschafft haben. Wir haben damals enorm viele Exemplare verkaufen können. Die Leute haben unsere Zeitung regelrecht geliebt. Das war phänomenal. Das war wirklich die romantischste Geschichte meines Lebens.

Hatten Sie mit einer solchen Resonanz gerechnet?

Wir hatten es gehofft. Wir haben uns ja auch für das Genossenschaftsmodell entschieden, weil es uns die journalistische Freiheit gibt, alles das zu sagen, was wir für richtig halten. Das war und ist uns sehr wichtig, haben wir doch gesehen, wie massiv Verleger bei anderen Zeitungen in die innere Pressefreiheit eingegriffen haben. Die Selbstzensur in den griechischen Medien ist groß. Bei uns ist das anders. Das goutiert unsere Leserschaft offenkundig.

Wie würden Sie die Efimerida ton Syntakton politisch verorten?

Wir verstehen uns als linkspluralistische Zeitung. Wir haben ein breites Meinungsspektrum vom Linksliberalen bis hin zur radikalen Linken, wir sind antifaschistisch, feministisch und unterstützen die ökologischen und sozialen Bewegungen. Und die Beschäftigten besitzen und führen das Unternehmen. Auch das ist eine politische Aussage.

Wie viele sind bei Ihrer Zeitung heute beschäftigt und welche Auflage hat sie?

Wir sind mehr als 100 Beschäftigte und unser täglicher Zeitungsverkauf liegt derzeit bei rund 5.000, am Samstag gehen zwischen 14.000 und 15.000 Exemplare an den Kiosken weg. Unsere Webseite wird gut besucht, aber E-Paper haben wir nur wenige. Anders als in Deutschland gibt es keine Abonnementskultur in Griechenland – weder für Print- noch für digitale Zeitungen. Ökonomisch ist es sehr eng. Es fehlt uns an Rücklagen. Wenn dann, wie gerade geschehen, der Papierpreis in einem Jahr um 90 Prozent steigt, ist das heftig. Hinzukommt, dass auch wir nicht verschont bleiben von dem allgemeinen Auflagenrückgang, mit dem die gedruckten Zeitungen ja nicht nur in Griechenland zu kämpfen haben. Aber wir leben immer noch. Das alleine schon ist eine gute Nachricht.

Wenn Sie heute noch einmal vor der Entscheidung stünden: Würden Sie sich wieder für eine genossenschaftlich organisierte Zeitung entscheiden?

Auf jeden Fall. Neben meiner Redakteurinnentätigkeit habe ich gerade meine Masterarbeit an der Universität fertig geschrieben. Mein Thema: Wirtschaftsmodelle von Zeitungen und die journalistische Freiheit. Es ist eine Werbeschrift für die Idee der Genossenschaft geworden. Ich bin froh, dass wir uns vor zehn Jahren für diesen Weg entschieden haben.

 

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