: Revolte gegen den Patriarchen
DESPOT Wichtige Aktionäre der News Corporation begehren gegen Rupert Murdoch auf und scheitern damit
RUPERT MURDOCH
VON STEFFEN GRIMBERG
Von diesem Mann können Despoten auf der ganzen Welt noch etwas lernen. Auf dem Papier genügt das US-Aktienrecht höchsten demokratischen Ansprüchen. In der Praxis schafft es ein Rupert Murdoch auch im schwierigsten Jahr seiner News Corporation, die Jahreshauptversammlung trotz aller kritischen Fragen in knapp 90 Minuten hinter sich zu bringen. Wegen des Telefon- und Computer-Hacking-Skandals stehen der 81-Jährige Konzernchef und sein Sohn und Kronprinz James massiv unter Druck – doch das „Annual General Meeting“ war 2011 sogar noch etwas kürzer als sonst. Trotzdem sinkt der Stern der Murdochs beim bislang erfolgreichsten globalen Medienunternehmen unaufhörlich. Zwar galt Rupert Murdochs Wiederwahl als Vorstandschef wie die der anderen Direktoren aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse bei der News Corporation von vornherein als sicher. Doch das konkrete Ergebnis muss so knapp ausgefallen sein, dass der Konzern die exakten Voten erst am heutigen Montag veröffentlichen will.
Und schon draußen vor den Fox Studios in Hollywood, wo am Freitagabend deutscher Zeit das Aktionärstreffen abgehalten wurde, hatten Hunderte gegen die Murdochs protestiert. Drinnen verlangten erstmals auch Vertreter institutioneller Investoren wie der mächtige Kalifornische Pensionsfond Calpers, dass Murdoch die Doppelrolle aus Vorstandschef (CEO) und Aufsichtsratsvorsitzendem (Chairman) endlich abgeben solle. Im entsprechenden Antrag hieß es, ein unabhängiger Chairman solle „die Stellung der Aufsicht gegenüber der Familie Murdoch aufwerten“. Mehrere Investoren-Vertreter forderten außerdem eine Debatte über die Leistungen der anderen Vorstände – insbesondere von Murdoch-Sohn James. Denn der trägt als Zuständiger für die britischen Zeitungen des Konzerns zumindest formal die Verantwortung für die Abhör- und Hacking-Skandale, die im Juli zur Einstellung des Sonntagsblatts News of the World und zur Verhaftung der ehemaligen Chefredakteure Rebekah Brooks und Andrew Coulson geführt hatten.
Doch hier blockte Murdoch, der als Chairman über Redezeiten („Jede Frage darf maximal eine Minute dauern“) und Tagesordnung („Ich schließe die Debatte. Wir wählen jetzt!“) befand, jede Diskussion ab. Zwar beteuerte er wiederholt, alles aufzuklären und dabei eng mit der Polizei zusammenzuarbeiten, auf Details ließ er sich aber nicht ein. Das bekam auch der britische Labour-Abgeordnete Tom Watson zu spüren, der extra Aktionär geworden war, um auf der Versammlung Rederecht zu haben. Fragen nach neuen Erkenntnissen, nach denen nicht nur Telefone, sondern auch Computer von NoW-Mitarbeitern routinemäßig gehackt worden seien, wich Murdoch sichtlich nervös aus – der alte Mann sagte inhaltlich zwar nichts, klopfte aber wie schon vor dem britischen Parlamentsausschuss im August zur Bekräftigung seiner Position heftig den Tisch.
Eine typische Murdoch-Abfuhr holte sich auch der australische Aktionärsvertreter Stephen Mayne: Murdoch habe seine Aktionäre schon immer „wie Idioten“ behandelt, es sei „beschämend, dass ein Medienkonzern, der weltweit auf freie Meinungsäußerung pocht, diese Debatte so undemokratisch abwürgt“, rief Mayne. „Ich denke, wir können das aushalten“, gab Murdoch zurück.
Nach der Sitzung teilte News Corp. in einer schmallippigen Pressemitteilung mit, alle Vorstände seien wiedergewählt worden, dem „Antrag auf einen unabhängigen Chairman wurde nicht stattgegeben“. Murdoch, der eigentlich nur 12 Prozent des Konzerns direkt besitzt, aber 40 Prozent der Stimmrechte kontrolliert, konnte sich dabei auch auf einen in Deutschland nicht ganz unbekannten Weggefährten verlassen: Der ehemalige ProSiebenSat.1-Besitzer Haim Saban hatte Murdoch demonstrativ unterstützt und in der Debatte demonstrativ gefragt, „warum hier nur über diese Verrücktheiten geredet wird und nicht über die tollen Geschäftsergebnisse“. Sabans Verzweiflung muss leider noch etwas anhalten: Mitte November darf in London Murdoch-Sohn James schon wieder vor dem Parlamentskomitee aussagen.