Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Journaille dreht Özdemir durch den Wulff, die CDU frei und Facebook-Zuckerberg fürchtet Liebesentzug.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Deutsche Bank bietet einen Fonds an, bei dem man auf den möglichst frühen Tod von Lebensversicherten zockt.
Was wird besser in dieser?
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Die Deutsche Bank engagiert sich für Sterbehilfe.
Grünen-Chef Cem Özedemir soll ein verbilligtes Fußballticket angenommen haben. Die Medien sehen schon einen neuen Skandal. Wandelt Özdemir auf Wulffs Spuren?
Tja. Freuen wir uns auf den Bild-Titel "Zweiter Satz der Thermodynamik erneut bewiesen - Heisenbergche Unschärferelation gilt!" Mir ist das natürlich zu reißerisch, also: Wenn ein Messinstrument - hier: die Medien - nur noch misst, was es selbst an Verwirbelung in der Versuchsanordnung auslöst, ist der Versuch gescheitert. Tollpatsch Özdemir hat - mehr patsch als toll - beim Vorzugsticket auf Selbstzahlung und ordentliche Rechnung bestanden. Das hatten die Medien nach seinen früheren Eskapaden eingeklagt. Na also. Hartz-Empfänger bekommen in inquisitorischen Verhören jeden Zwanziger von Omi zu Weihnachten vorgerechnet und abgezogen. Die Welt wird nicht besser, wenn man die Özdemirs auch so behandelt. Sie würde besser, wenn die vereinte Medienmacht mal ungefähr so viele Titelgeschichten über die unwürdige Behandlung von Hartz-Empfängern liefern würde wie zum Bettelpräsidenten.
Carsten S. ist aus der Naziszene ausgestiegen, nach NRW zum Studieren gezogen und lebt offen homosexuell. Jetzt wird der ehemalige NPD-Funktionär beschuldigt, eine Waffe gekauft zu haben, die über Umwege zu den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds fand. Holt die Vergangenheit einen doch immer ein?
Na, da wäre die Vergangenheit ja klüger als der Verfassungsschutz. Was kein so großes Kunststück zu sein scheint. Das, was die Behörden Carsten S. jetzt zur Last legen, sind alte Erkenntnisse, die der Verfassungsschutz sauber beschlafen hat, bis dass die Mörder sozusagen qua Selbstmord auf Ermittlungen bestanden haben. Übrigens liest sich die Vita des Carsten S. wie ein eindeutiges Plädoyer, Nazis nicht als V-Leute anzuheuern und damit tiefer in die Scheiße zu reiten, sondern ihnen mit Aussteigerprogrammen näher zu sich selbst zu helfen.
Facebook will an die Börse. In einem Bericht verrät Gründer Mark Zuckerberg, wovor er Angst hat. Unter anderem fürchtet er, dass die Nutzer wegbleiben. Eine berechtigte Sorge?
Hübsches Gedankenspiel: Als die Thurn und Taxis sich ihr Postmonopol zusammengaunerten - was hätten wir da entlangkommentiert? Heute kommt einem strenge gesellschaftliche Kontrolle wichtiger Verständigungswege selbstverständlich vor. So steht das Post- und Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 besonders prominent im Grundrechtebereich der Verfassung. Facebook, Google, Amazon, Twitter, Ebay können nichts dafür, dass der Gesetzgeber so langsam ist. Doch sie können einiges dagegen. Es ist Zeit, das Datengeheimnis in die Grundrechte aufzunehmen, gerade weil - siehe Facebook - zunehmend Shareholder entscheiden, was recht sein soll.
Die Chefin des Deutschen Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, nennt die Nazis auf Twitter eine "linke Partei". Ihr CDU-Parteifreund Ansgar Heveling sieht ein baldiges Ende des Web 2.0. Drehen in der Union jetzt alle frei?
Dass Frau Steinbach die NSDAP zu links war, müssen wir ihr einfach glauben.
Im Netz gehen alle auf die Barrikaden wegen der Gesetzesvorhaben SOPA, PIPA und ACTA, die angeblich Piraterie im Internet bekämpfen sollen. Laden Sie noch Dateien runter?
Nein, ich mache auch keine Geldgeschäfte, twittere nicht, bin nicht bei Facebook und auch im Restleben ein slow mover und last adopter. Ich warte immer ab, bis sich die freiwilligen Versuchskaninchen die Nase verbrannt haben, und nehme dann den tauglichen Rest.
Die Feuilletondebatte über die "Schmerzensmänner" nimmt kein Ende. Gehören Sie auch zu dieser Warmduscherkategorie?
Haha! Guter Trick! Ich war sofort versucht, darüber nachzudenken.
Letzte Woche schrieben Sie in der taz, Sie wollten sich auch vom Verfassungsschutz überwachen lassen. Und, hat sich schon jemand gemeldet?
Nee. Lesen die überhaupt die taz? Voller Preis oder Soliabo?
Und was machen die Borussen?
Ich brauche zwei Tickets für BVB-Mainz am 3. März. In der Hinrunde hatte mich ein Mainzer Kollege eingeladen, und wenn ich jetzt nicht gegeneinlade, verpasse ich einen hohen Heimsieg und komme zudem in die Özdemirhölle. Weia! Hilfe! FRAGEN: IPP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren