DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL : Vorerst gekündigt
WIE VIELE SIND ES? Die „Zeit“ leidet, Chefredakteur Giovanni di Lorenzo wird in der Guttenberg-Affäre vom „Spiegel“ verhört
Nein, darüber möchte der Zeit-Chefredakteur bei aller Offenheit dann doch nicht so genau reden: wie viel geneigte LeserInnen nämlich wegen der Guttenberg-Ranschmeiße ihr Abo der Wochenzeitung gekündigt haben. „Es gab Abbestellungen und viele böse Briefe, aber die Zahl werde ich Ihnen nicht nennen“, sagt Giovanni di Lorenzo im heute erscheinenden Spiegel. Zeit-intern heißt es, die rund 1.000 Abo-Kündigungen in der ersten Woche nach Erscheinen des Von-und-zu-Guttenberg-Interviews, über die gemunkelt wird, seien zumindest schon mal „die richtige Größenordnung“.
Beschädigt sind sie so oder so alle beide: Guttenberg, weil er nicht einsieht, dass auch noch weitere 65 Seiten „Warum ich als junger Familienvater bei meiner Diss zwar Scheiße gebaut, aber garantiert nicht plagiiert habe“, nicht weiterhelfen; und di Lorenzo, weil der nichts darüber hören will, dass die Art und Weise des Interviews keine gute Idee war: Zu unkritisch und zu sehr auf Augenhöhe von gleich zu gleich plätschert der Text. Natürlich erfährt man in der Zeit-Fassung wie im Buch Neues – ob man all das aber wirklich wissen will oder gar wissen muss, bleibt allerdings vage.
Und weil niemand bei der Zeit mit einem solchen Fall-out gerechnet hat – LeserInnen nehmen übel, die Redaktion ist hälftig vergrätzt, der Spiegel streckt seine nur mäßig versteckte Schadenfreude über drei Seiten –, muss die robuste Fragetechnik des Nachrichtenmagazins als Streitpunkt herhalten: „Ihre Fragetechnik hat Grenzen“, bescheidet di Lorenzo da die Spiegel-Kollegen: „Und ich wundere mich auch über die Selbstgerechtigkeit Ihrer Fragen. Mein Anliegen war es, dass Guttenberg möglichst viel von sich preisgibt.“ Und zum Besten des behutsamen Zeit-Fragers sei angemerkt, dass dabei immerhin mehr herauskommt, als wenn ARD-Polittalks Bäckereifachverkäuferinnen als Expertinnen zum Thema vernehmen.
STEFFEN GRIMBERG