1. Mai: "Den Frust an Unschuldigen ausgelassen"

Die Polizei ging am 1. Mai unnötig ruppig vor, sagt Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne). Auch er war in der Nacht auf der Straße und wurde von Polizisten angerempelt.

Polizeikette am 1. Mai auf der Skalitzer Straße Bild: AP

taz: Herr Schulz, Sie waren dabei, als Polizisten am 1. Mai unter anderem auf zwei taz-Journalisten einschlugen.

Franz Schulz: Ich stand gegen 23.30 Uhr an der Ecke Manteuffel-/Skalitzer Straße. Die Einheit "11 12" war dort zugange. Ich kann bestätigen, dass einzelne Beamte ruppig gegenüber unbeteiligten Besuchern vorgegangen sind. Auch ich und meine Begleiter wurden angerempelt. Ich selbst habe nicht konkret gesehen, wie Ihre Kollegen geschlagen wurden. Aber ich kann versichern: Alle Besucher, die dort standen, waren friedlich.

Wie erklären Sie sich das Verhalten der Polizei nach einem insgesamt recht friedlichen Verlauf des Tages?

Am späten Abend des 1. Mai wurden zwei taz-Journalisten an der Ecke Manteuffel-/Skalitzer Straße von Polizisten der Einheit "11 12" mehrfach ins Gesicht geschlagen. Sie waren nicht die einzigen Opfer. Am Montag meldete sich ein Zeuge des Übergriffs auf einen der beiden Redakteure: Daniel Wesener, Fraktionsvorstandsmitglied der Grünen im Bezirksparlament Friedrichshain-Kreuzberg. "Ich habe gesehen, wie der Polizist grundlos zugeschlagen hat", sagt Wesener. Er selbst sei davon völlig überrascht gewesen, weil es der Situation überhaupt nicht angemessen war. Ihm hätten die Polizisten beim Vorbeigehen ein "Ellenbogencheck" gegeben, so Wesener. Die taz-Journalisten haben Anzeige erstattet. FLEE

Eine genaue Erklärung habe ich nicht. Ich kann nur sagen: Das ruppige Vorgehen dieser Beamten an dieser Stelle war völlig unnötig. Ich hatte den Eindruck, dass offenkundig einige Beamte dieser Einheit nervös waren und dann ihren Frust an Unschuldigen ausgelassen haben.

Sie haben am nächsten Tag von einem friedlichen 1. Mai berichtet. Dass Sie von Polizisten angerempelt wurden, haben Sie nicht erwähnt. Warum?

Mein Gesamteindruck war, dass sich die Polizei an die Deeskalationsstrategie gehalten hat und auch in kritischen Situationen besonnen geblieben ist. Als die 18-Uhr-Demo der Autonomen zurückkam, war mit den Organisatoren vereinbart, dass sich die Demo vor dem Kottbusser Tor auflöst. Stattdessen ist sie aufs Gelände des Myfest gestürmt. Die Polizei stellte sich vor den Zug, versuchte aber nicht, ihn aufzuhalten. Sie hat es in der Situation verstanden, steuernd zu intervenieren, aber nicht zu eskalieren. Das nenne ich besonnen.

Seit Jahren werden Polizisten mit steigendem Alkoholpegel der Feiernden aggressiver. Braucht die Polizei für den späten Abend ein neues Konzept?

Die Einheit "11 12" kam vermutlich nicht aus Berlin. Das heißt, dass die Berliner Polizei ihre Kollegen aus den anderen Bundesländern besser über die Deeskalationsstrategie informieren muss. Noch besser wäre, wenn für diese kritischen Zeiten ausschließlich Berliner Polizisten eingesetzt werden. Sie können das alljährliche Katz-und-Maus-Spiel-Ritual viel realistischer einschätzen. INTERVIEW: FELIX LEE

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