… DIE URBANE KUNST? : In Hallen verkommen
„Society gets the kind of vandalism it deserves“, das war eine Botschaft der Streetart. Bilder, an Wände gesprüht oder gemalt, waren schön, aber auch politisch. Streetart nahm sich den öffentlichen Raum, gerne auch illegal. Dunkle Gestalten zogen nachts durch die Stadt, bewaffnet mit Pinseln und Spraydosen. So entstand Kunst. Umsonst. Draußen.
Nun hängt sie drinnen und kostet Geld. In den Hallen des ehemaligen Paketbahnhofs am Gleisdreieck findet seit Donnerstagabend die „Stroke“ statt, laut Veranstalter die weltweit einzige Messe für Urban Art. Auf 3.000 Quadratmetern präsentieren sich 25 Galerien und acht Einzelkünstler. „The place to be: the station“, heißt es auf der Homepage. Es gibt einen Workshop in Urheberrecht, eine Lounge, Konzerte und eine Abschlussparty.
Der Weg führt durch einen Hinterhof. Es riecht nach Farbe und Cannabis. Die verbotene Kunst ist ganz nah. In der Eingangshalle des alten Bahnhofs üben sich junge Talente an Stellwänden, Sprühflaschen liegen auf dem Boden. Ein Stand bietet Buletten und gegrilltes Gemüse. Die Männer tragen Wollmützen und Mundschutz. Wie man sich das halt so vorstellt.
Dann, die zweite Halle. Wer reinwill, muss die Security passieren. Hier ist die „Stroke“ plötzlich vor allem eines: hip. Die Gäste sitzen an Plastiktischen, auf quadratischen Lederkissen und sind umhüllt von Neonlicht und Elektrobeats. Die Frauen tragen riesige Brillen und sind dürr wie Models. Die Männer auch. Das Bier kostet fast so viel wie eine Spraydose. Statt bemalter Wände gibt es Videoinstallationen und digitale Bilder – „Avantgarde digital“, wie der Veranstalter sie nennt.
„Die Stroke möchte nicht nur Urban Arts zeigen“, sagt Sprecher Simon Birkenfeld. Sondern die Weiterentwicklung. Das Vielfältige. Auch das ist immer noch schön. Aber auch nicht mehr. ARV Foto: Stroke