… DER CHARLOTTENBURGER WUTBÜRGER? : Gegen Autos kämpfen
„Wir wurden von den Medien reingelegt“, empört sich Jutta Schröder von der Bürgerinitiative „Klausenerplatz-Kiez“. „Die haben vom Kampf der Knobelsdorffstraße gegen den Horstweg geschrieben, dabei kämpfen wir gemeinsam für Verkehrsberuhigung für beide Straßen!“
Im Kiez südlich des Charlottenburger Schlosses gibt es Streit. Seit 2008 ist die Knobelsdorffstraße an einer Seite für den Verkehr gesperrt. Diese Blockade wollen zwei Anwohner aus dem Horstweg, einer Parallelstraße, per Klage beenden. Und weil ihm seine Rechtsabteilung signalisiert hat, dass ein Prozess wenig erfolgversprechend ist, sieht sich der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Marc Schulte (SPD), genötigt, die Knobelsdorffstraße für den Durchgangsverkehr wieder freizugeben. Die eigentlich auch von ihm begrüßte Sperrung war nämlich nicht ausreichend begründet, sondern einfach im Zuge von Baumaßnahmen ausgesprochen worden.
Deswegen hat Stadtrat Schulte nun das Charlottenburger Wutbürgertum an der Backe. Auf einer Diskussionsveranstaltung entlud sich Anfang der Woche die Empörung über den zu erwartenden „enormen Durchgangsverkehr“. „Für mich ist dieser Gang heute kein einfacher, aber es besteht in diesem Land leider die Möglichkeit, gegen jeden Verwaltungsakt gerichtlich vorzugehen“, erklärt Schulte dem Publikum. Der Tenor bei seinen Zuhörern: Der Politiker habe nicht den Mumm, es auf einen Prozess ankommen zu lassen.
Dem anwesenden bürgerlichen Spektrum, das modisch, gut situiert, aber auch zwischenruffreudig ist, geht es um „Lebensqualität“. Die wird wütend und mit drastischer Rhetorik gegen die Interessen von Lasterfahrern verteidigt. „Sie argumentieren hier mit Zahlen und Fakten, aber Zahlen und Fakten heißen Schwerverletzte und Tote“, echauffiert sich Wolfgang Neumann von der Bürgerinitiative. Dass sich der Stadtrat überwiegend auf Zahlen beziehe, findet Neumann falsch. Ein paar Meter neben ihm steht ein Vater mit einem Schild: „Knobi bleibt, 1.700 können nicht irren“. So viele Unterschriften hat die Initiative gegen die Öffnung der Knobelsdorffstraße gesammelt. Kritische Stimmen haben es schwer an diesem Abend. „Die Autos werden ja nicht weniger, mit der Schließung wird der Verkehr nur anders verteilt“, merkt eine Frau im Publikum schüchtern an.
Gegenüber der taz gibt ein Sprecher der Anwohnerinitiative Knobelsdorffstraße zu, dass vor der Schließung nur 18 Prozent des Verkehrs Durchgangsverkehr gewesen sei. Das habe die letzte Verkehrszählung des Bezirks 2005 ergeben. Also viel Aufregung um nichts? „Wenn Sie hier wohnen würden, würden Sie das verstehen“, kontert der Mann. MOR Foto: Archiv