„ . . . und die Vögel pissen in den Wind“:
Charles Bukowski an Carl Weissner, 25. Juli 1974:
„Nein, Prinz, ich vertrage das Auf und Ab mit Frauen nicht so gut. Ich werde sehr emotional. Ich kann mich für so gut wie alles begeistern, sogar Moskitos. Bloß für Kakerlaken hab ich mich nie so recht erwärmen können. Ausnahme: Kafkas fabelhaftes Insekt, der arme Kerl.
Also ich leider schwer darunter, denn wenn ich mich mal einlasse, dann hechte ich voll rein und werfe die Ruder weg. Ja, sicher, ich sollte es eigentlich besser wissen. Hahaha.
Frauen sind im Allgemeinen sehr gut zu mir. Ich habe noch nicht so viele kennen gelernt, aber mit den meisten war ich länger zusammen. Ich bin kein Schürzenjäger. Wenn eine nicht von selbst kommt, geh ich sie nicht suchen. Aber wenn sie da ist, bin ich meistens so überwältigt, dass ich vollkommen hilflos werde. Es tut sehr gut, aber die Scheinwerfer des Verstands sind manchmal eher schwach.
Diesmal sah es so aus: Ein Einzelgänger schläft mit einer, die dauernd das Gefühl haben muss, auch noch von anderen begehrt zu werden. Nicht mit mir, du. Die anderen haben mich ausgelaugt; sie dagegen ist aufgeblüht wie Pfuffreis in Milch. Was sie an den anderen faszinierend fand, waren für mich Schweinsfürze und schaurige Verlogenheit und plumpe Spielchen. Sie wollte Feten feiern und tanzen und quatschen und kichern. Sie war die Sexbombe, und Marilyn Monroe war ihr Vorbild.
Sie drängte und wirbelte und zündelte; sie wackelte mit Arsch und Titten und machte die Männer wahnsinnig, und ich fragte mich: Mensch, wie bin ich da reingeraten? Ganz einfach – sie hatte mich ausgesucht, und ich war ihr auf den Leim gekrochen.
Jetzt wollte sie mich als den starken Typen, den sie als Sprungbrett nutzen konnte; für Absprünge mit anschließender Rückkehr. Sie leistete sich ihre Feten und setzte ihren Willen durch. Ich hielt meine Stellung, beherrschte mich, sah über alles hinweg. Sie legte einen Zahn zu und ging dazu über, mit Kerlen ins Bett zu gehn. In der ersten Woche waren es zwei, und kurz danach kam noch einer dran. Als Erklärung gab’s die alte Leier: Sie hätte es nur als Reaktion auf mich getan – als sie mal mein Auto vor dem Haus von Stella entdeckt hatte; als Liza Williams und ich mal nach Del Mar gefahren waren und am Strand geschlafen hatten, während die Wellen uns über die Beine schwappten.
Prinz, ich musste feststellen, dass sie zu schnell für mich war. Sie sah besser aus als ich; für die meisten jedenfalls. Sie bekam mehr Ficks, und sie bekam sie regelmäßiger. Hört sich das nach Luder an? War sie auch.
Prompt verschwand sie für drei Monate nach Utah und ließ mir ihren Fernseher da. Sie sagte, sie werde sich einen Mann für den Sommer suchen, und ich werde ihr Mann für den Winter sein, und es sei nur fair, wenn sie es ihrem Sommer-Mann sagt.
Wie viel Scheiße kann ein alter Hund schlucken? Ich schrieb ihr in drei Sätzen, dass ich mit ihr fertig bin. Ich wiederhole die drei Sätze nicht, denn das spielt hier keine Rolle. Aber ich habe den Knoten – ob gordisch oder sonst was – durchgehauen. Schluss, aus. Ihr Fernseher steht in ihrem Wandschrank, der Schlüssel liegt auf dem Kaminsims, und die Vögel pissen in den Wind. Aloha.“
Die hier abgedruckten Briefe von Charles Bukowski sind ein Vorabdruck aus dem Band „Schreie vom Balkon. Briefe, Band 1 (1958 – 1974)“, der im nächsten Frühjahr bei Gingko Press, Hamburg, erscheinen wird. Die Übersetzungen fertigte Carl Weissner an.
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