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Volontariat 2022 Freiraum zum Austoben

Noch bevor sie in die Mittelstufe kam, wollte Shoko Bethke Journalistin werden. Es schien ihr immer wie ein unerreichbarer Traum.

Foto: Anja Weber

27.01.2022 | VON SHOKO BETHKE

An den ersten taz Artikel, den ich je gelesen habe, kann ich mich nicht erinnern. Dafür kann ich mich aber an viele Artikel aus der taz erinnern, die mich nachhaltig geprägt haben. Unter anderem Sibel Schicks Text über Muslime am Kölner Hauptbahnhof, die als Terroristen verdächtigt wurden, nur weil sie über den Bahnsteig rannten, um ihren Zug zu erreichen. Oder ein Artikel von Volkan Ağar über Mehrsprachigkeit, die sich nicht jede:r hierzulande leisten kann. Und mehrere Beiträge zu den rassistischen Morden in Atlanta – von denen gab es so viele wie in kaum einem anderen deutschen Medium.

Die taz war und ist heute noch eine besondere Zeitung, weil sie ihren Fokus anders setzt. Sie schreibt nicht darüber, was die Leser:innenschaft vermeintlich lesen will – stattdessen berichtet sie über Ereignisse, die sie selbst für wichtig und relevant hält. Mit ihrem kritischen Blick und einer großen Portion Humor ist sie eine Ausnahme in Deutschlands weiß geprägter Medienlandschaft.

Aufgrund meiner starken Zuneigung zur taz hat mich der Anruf, den ich Anfang Mai von Konny Gellenbeck bekam, erstmal gelähmt. Ursprünglich wollte sich die Bewerbungsjury mit der Rückmeldung eine Woche Zeit lassen. Das Handy klingelte aber schon nach zwei Tagen. Ich stotterte, weil ich die Zusage nicht begreifen konnte. Kaum aufgelegt, fing ich an zu heulen. Mein Traum sollte wahr werden.

Als ich Kind war, hat meine Mutter eine DVD gekauft, die ich mir immer wieder angeschaut habe. Es war der Film „Blood Diamond“ mit Djimon Hounsou, Leonardo DiCaprio und Jennifer Connelly in den Hauptrollen. Der Film kritisiert den Handel mit Blutdiamanten und wird heutzutage aufgrund seines White Savior Narratives zurecht missbilligt. Damals aber war ich einfach nur entrüstet über die Brutalität des Kapitalismus und zugleich fasziniert von der Rolle der Journalistin, die Connelly in diesem Film gespielt hat. Ich wollte genauso werden: energiegeladen und mit kritischem Blick die Missstände unserer Welt aufdecken.

Nur drei Stunden bis zur Textabgabe

Und jetzt bin ich hier, mitten in meinem Traum und liebe jeden Tag. Der Job ist nicht so dramatisch wie im Film, aber er ist besser, weil er real ist. Klar, es gibt Tage, die sind stressig. Als ich meinen ersten Artikel für die tagesaktuelle Produktion schreiben sollte, war ich zum Beispiel völlig überfordert. Die digitale Konferenz war um elf Uhr morgens, bis 14 Uhr sollte der Text fertig sein. Nur drei Stunden? Und meine Mittagspause? Wie soll ich das denn schaffen? Aber irgendwie hat’s trotzdem geklappt. Und wenn es mal knapp wird, werde ich aufgefangen.

Das Volontariat gibt mir so viel Freiraum und Platz zum Austoben. Während des Wahlcamps im Sommer 2021 bin ich mit meinen Kolleg:innen auf ein Festival gefahren, um anschließend über junge Männer ohne Manieren zu schreiben. Im Berlin-Ressort habe ich einerseits gelernt, über Themen zu berichten, die völlig an meinen eigenen Interessen vorbei gingen.

Andererseits darf ich aber zu jeder Zeit auch über meine Lieblingsthemen schreiben und die Feministin in mir so richtig rauslassen. Beim vierwöchigen Exkurs auf eine Journalismusschule bin ich indes anderen Volontär:innen aus verschiedenen Medienbranchen begegnet, um mich auszutauschen und Verbündete zu gewinnen.

Im Sommer steht das nächste große Projekt an: meine Auslandskorrespondenz. Auch das ermöglicht mir die taz. Fast jeden Wunsch erfüllt sie mir, und ich weiß das Privileg zu schätzen. Umso größer ist das Bedürfnis, Glanzleistungen zu erbringen und die Zeitung nicht zu enttäuschen. Einzig beim Gehalt besteht Entwicklungsbedarf – ich weiß, dass das nicht nur ich so sehe. Aber ich arbeite lieber für eine Zeitung, die ihre Artikel online auf Spendenbasis zur Verfügung stellt, als für eine, die alles hinter eine Paywall setzt. Denn die taz ist solidarisch, sowohl für die Welt da draußen als auch für die Menschen, die für sie arbeiten.